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Wir haben in diesem Jahr mehr als 30 Inseln in Kuna Yala , wie die San
Blas Indianer ihr Land nennen, besucht; manche auch mehrmals. Zweimal
haben wir die "Thor Heyerdahl" getroffen, haben jeweils zwei
Tage bei ihr längsseits gelegen. Es kam dabei zu einer für beide
Seiten sehr fruchtbaren Zusammenarbeit. Während Katrin und ich Lichtbildervorträge
für die Thorleute gehalten haben und von unseren Eindrücken
und Erfahrungen mit den Kuna berichten konnten, gleichzeitig Hinweise
auf die besten Tauch- ,Schnorchel- und Ankerplätze gaben, haben wir
uns aus den Wasservorräten der "Thor" bedient; haben mit
Hilfe der Techniker einige Probleme auf der "Grete" lösen
können und wurden großzügig mit frischen Lebensmitteln
beschenkt
Einmal ließ sich der Motor nicht starten, als Folge liefen wir
beim Ankern unter Segeln auf Grund, konnten aber bereits nach 1 ½
Stunden mit Hilfe eines Tenders des Kreuzfahrers "Lirica" frei
kommen.
Höhepunkt dort- in Playon Chico - wahren die Revolutionsfestspiele,
bei denen die Kuna in einem viertägigen Happening die erfolgreiche
Revolution von 1925 aufleben ließen, bei der sie eine Teilautonomie
durchsetzen konnten.
Den August und September verbrachten wir in Nicaragua, wo wir im Auftrag von "Ärzte für die 3.Welt" eine rollende Klinik aufbauten. In den ärmsten Bergregionen Nicaraguas werden heute 5 abgelegene Dörfer jeweils einmal pro Woche ärztlich versorgt. Diese rollende Klinik aus dem Nichts heraus in nur 6 Wochen auf zu bauen und dann noch die ersten 2 Wochen zu betreiben, hat sehr viel Arbeit gemacht aber auch sehr viel Spaß.
Was haben wir dort also gemacht? Zuerst sind wir die 5 ärmsten Provinzen des Landes abgefahren, haben mit vielen Leuten geredet. Mit den Pfarrern, den Leuten von Hilfsorganisationen, mit Ärzten in den Gesundheitszentren, mit den Direktoren der örtlichen Vertretungen des Gesundheitsministeriums etc. Dann haben wir 5 Orte in den beiden nördlichsten Provinzen ausgesucht, die uns am bedürftigsten erschienen. Orte, in denen bis zu 1000 Personen lebten und in denen es keinerlei Gesundheitsfürsorge gab. Wir haben ein Auto gekauft, einen Vierrad getriebenen Pickup mit Differenzialsperre; haben ein Bankkonto eröffnet, eine Unterkunft in einer kirchlichen Herberge gefunden, in der wir auch unsere Apotheke unterbringen konnten und dann sind wir an fünf Tagen der Woche zu den fünf ausgewählten Orten gefahren, in denen Katrin bis zu 120 Patienten pro Tag behandelt hat.
Im Durchschnitt waren es 69 pro Tag. Die Orte waren nicht immer wirkliche Orte; zum Teil erreichten wir nach bis zu 2 ½ Stunden Fahrt auf Pisten, die einfach in die Natur dieser Bergregion geschlagen waren und wo unser Auto mitunter einer Bergziege gleich über Felsbarrieren geklettert ist, durch Schlammlöcher gekrochen und durch Bäche und Flüsse geprescht ist, ein einzelnes Häuschen. Eine "Casa base". Ein einzelner Raum von 3x3m in freier Natur, ohne Strom und Wasser und ohne dass man ein einzelnes Haus sah. Die Leute wohnten in einem Umkreis von mehreren Kilometern in Hütten in den Bergen verstreut.
Und sie kamen in stundenlangen Fußmärschen zu uns; meist Mütter,
die ihre kranken Kinder tragen mussten. Manche waren drei Stunden zu uns
unterwegs und mussten dann wieder drei Stunden nach Hause laufen. Nicht
selten von kräftigen Gewitterregen durchweicht. Und sie ertrugen
ihr Schicksal mit einer waren Engelsgeduld. Keiner klagte über Hunger
oder Durst - und hungrig waren sie alle: ein Dauerzustand in dieser Region.
Begleitet wurden wir immer von einer Krankenschwester des jeweils zuständigen
Gesundheitszentrums, die die Kinder wog, Verhütungsmittel verteilte,
Impfungen vornahm und den nötigen Papierkram erledigte.
Für Katrin war es schon ein sehr wichtiger Aspekt mal wieder professionell
arbeiten zu können und meine Arbeit als Organisator und Fahrer hat
auch viel Spaß gemacht. Als Team fühlten wir uns wohl. So haben
wir das Land natürlich viel besser kennen lernen können, als
wenn wir dort als Touristen gereist wären.
Den Oktober verbrachten wir in Ekuador, wo wir mit meiner Schwester, meinem Bruder und Schwägerin, meinem Sohn, sowie meiner Nichte und deren Freund zusammen mit meiner Tochter und deren Mann und ihren zwei Kindern, welche in Ekuador zu Hause sind, eine 14 tägige Rundreise durchs Land machten.
Wir haben eine spektakuläre Bahnfahrt durch die Anden gemacht, bei der wir in über dreitausend Metern Höhe, warm eingepackt, auf dem Dach des Zuges die Aussicht genossen. Die kleine Bahn klettert im Zickzack - also immer mal vorwärts, mal rückwärts fahrend - an den steilen Flanken der Schluchten empor. Wir sind am Basislager des höchsten, aktiven Vulkans der Erde, dem Cotopaxi, auf 4600m Höhe gewesen, hatten aber leider nur wenige berauschende Ausblicke, da sich Schneeschauer und Nebel ablösten.
Wir haben meinen Geburtstag in einem Thermalbad auf dem Altiplano gefeiert und sind den Rio Guayapas knapp drei Stunden mit dem Einbaum mit Außenborder durch den Regenwald hinaufgefahren um die Familie meines Schwiegersohnes zu besuchen, die dort in dem kleinen Dorf Sta. Maria von der Agrarwirtschaft lebt. Bestaunen konnten wir dort ein Relikt aus vergangenen Tagen; nämlich eine Zuckerrohrpresse, die immer noch in Betrieb ist. Wir haben den frisch gepressten Zuckerrohrsaft getrunken und fanden ihn köstlich. Dort leben - in einem Nachbardorf - auch die Guayapa Indianer, die sehr schöne Flechtarbeiten herstellen.
Auch die haben wir besucht. Und natürlich waren wir auf dem größten Indianermarkt von Ekuador in Otavalo, haben aber feststellen können, dass die meisten der farbenprächtigen Erzeugnisse aus Alpacawolle aus Peru importiert waren. Die Otavalenos arbeiten hauptsächlich mit Schafwolle.
Und dann haben wir noch eine Woche im Hotel meiner Tochter Badeurlaub
am Pazifik gemacht. Ganz am Anfang und ganz am Ende haben wir uns noch
die wunderschöne Altstadt von Quito mit ihren imponierenden Bauten
aus der Kolonialepoche angeschaut. Es war ein rundum schöner Besuch
im Kreise meiner Familie.
Zurück in Panama - wo wir die "Grete" sicher in einer
Marina in Colon untergebracht hatten - brauchten wir dann 6 ½ Wochen
um technische Reparaturen am Schiff zu beheben und die "Grete"
für das nächste halbe Jahr mit Proviant und Ersatzteilen auszurüsten.
Weihnachten waren wir dann wieder auf den San Blas Inseln. Wieder ein
mal vertäuten wir unser Zuhause an einer Palme auf der winzigen Insel
Waisaladup. Den Jahresausklang feierten wir zusammen mit fünf befreundeten
Yachten auf der Insel Salar mit Grillen und Feuerwerk am Strand unter
Palmen. Und so ging ein sehr schoenes und ereignisreiches Jahr zu Ende.
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Am 13.8. trafen wir in Nicaragua ein. Wir hatten von den Aerzten fuer
die dritte Welt den Auftrag, in den fuenf noerdlichsten Provinzen des
Landes Informationen zu sammeln, um dort eine rollende Klinik aufzubauan.
Am 21. sollte dann Dr. Peter Fricke, der mit der Leitung der Projekte
in Nicaragua beauftragte, zu uns stossen; zusammen wollten wir dann die
Orte auswaehlen, in denen wir taetig werden wollten. So bereisten wir
fünf Provinzen, sprachen mit einer Vielzahl von Leuten wie Pfarrern,
den Leitern verschiedener Hilfsorganisationen, in allen größeren
Orten mit dem Roten Kreuz, Organisationen wie der "Cooperativa Mujeres
de Matagalpa" - einer Frauenhilfsorganisation - die ueber eine umfangreiche
Bibliothek verfügte, in der sich auch eine Adressenliste aller in
Nicaragua arbeitenden nichtstaatlichen Hilfsorganisationen befand. Mit
Hilfe dieser Liste, die wir bereits am zweiten Tag entdeckten, kamen wir
dann relativ rasch voran. Am Ende dieser Woche war uns ein klar geworden:
überall wird Hilfe benötigt, am dringensten aber in den drei
nördlichsten Provinzen und dort wiederum am aller dringensten weit
draussen auf dem Land, wo es keine ärztliche Versorgung gibt, zum
Teil keine Busse mehr verkehren und die Leute nicht das nötige Geld
haben um Transport oder Medikamente zu bezahlen. Orte also, wo es am allernötigsten
fehlt, wo der blanke Hunger zu Hause ist.
Um 6.00 Uhr starteten wir - Peter, Katrin und ich - nach Estelí,
wo wir um 8.45 eintreffen. Der Diakon empfängt uns sehr herzlich.
Nach einer ausführlichen Diskussion, an der außer dem Diakon
und uns noch zwei Ärzte und Javiér teilnehmen, wird Javiér
uns zur Verfügung gestellt, um die Municipios San Lucas, Las Sabanas
und Cuzmapa mit uns abzufahren. Javiér ist ein ehemaliges Strassenkind,
das im Waisenhaus des Padre Ter
Weiter ging es über Stock und Stein in langsamen Schritttempo Richtung Limay. Kurz vor diesem Ort trafen wir auf eine Schotterstrasse, die uns nach Limay brachte und weiter in Richtung Estelí führte, wohin wir wollten. Eine Stunde hinter Limay endete der Weg an einem Fluss. Wir hatten uns verfahren. 30 Minuten zurück und wir fanden den richtigen Weg, bis dieser wiederum vor einem Fluss endete. Der durch die anhaltenden Regenfälle angeschwollenen Fluss - wiederum ca. 100 m breit - aber rasch fließendes braunes Wasser transportierend schien das Aus zu signalisieren, da tauchte aus dem Nichts ein kleiner Junge auf. Er bot sich an uns zu führen, ließ die Hose fallen und watete langsam in einem Bogen durch die braune Flut. Als er zurück war stellten wir ihn ans Auto. An seiner Unterhose konnten wir die Wassertiefe messen. Sie reichte bis zur Mitte unserer Scheinwerfer. Um das Auto leichter zu machen, liessen auch wir - Katrin, Javiér und ich - die Hosen runter und wateten ans andere Ufer. Peter folgte, würgte in der Mitte des Flusses den Motor ab, der aber sofort wieder ansprang, und nach wenigen Minuten war auch er auf der anderen Seite. Wir atmeten erleichtert auf, stiegen wieder in unsere durchweichten, schlammigen Sachen und weiter gings. An einer Weggabelung entschieden wir uns für links. Als wir ein kleines Dorf erreichten, fragten wir nach dem Weg. Wir hatten den Weg nach Pueblo Nuevo gewählt, wollten aber nach Estelí. Wieder 30 Minuten zurück und an der Gabelung den anderen Ast unter die Räder genommen. Doch hatten wir kein Glück, nach 20 Min. versperrte ein im Schlamm abgerutschter Tieflader, der quer über dem Weg stand und dessen Vorderräder im Graben hingen, den Weg. Also wieder zurück und den 70 km Umweg über Pueblo Nuevo nach Estelí gefahren, wo wir um 23.30 eintrafen. Beim dritten Hotel hatten wir Glück; es waren noch Zimmer frei. Schnell zogen wir trockene Sachen an und fanden als einzige Möglichkeit zur Nahrungsaufnahme eine Tankstelle. Alte Pizza aus der Mikrowelle war das einzig Brauchbare. Das Bier durften wir zwar kaufen, aber erst spaeter auf der Strasse trinken, da nach 24 Uhr der Alkoholgenuss in der Tankstelle untersagt war. Um 1.00 Uhr fielen wir totmuede ins Bett- nicht ohne den Wecker auf 5:50 Uhr gestellt zu haben - denn um 8:00 hatten wir einen Termin im knapp zwei Stunden entfernten Ocotal.
Mi., 24.8.
Das Treffen mit den Ärzten brachte eine überraschende Wende in unsere Strategie: sie boten uns an, dass wir in einigen - sehr abseits gelegenen - Centros de Salut (Gesundheitszentren), die wegen Ärztemangel und wegen Geldmangel für Benzin und Medikamente geschlossen seien, arbeiten könnten. Wir sollten Arzt, Auto und Medikamente stellen, dann würden sie Räumlichkeiten, Krankenschwestern, Helfer und die Dokumentation übernehmen. Nach kurzer Diskussion einigten wir uns auf fünf Kreise in denen wir in jeweils einem abgelegenem Ort einmal pro Woche Sprechstunde halten wollten. Dieses Angebot war so gut, dass wir schnell ja sagten. Nach vielen Küsschen auf die Wange, bzw. Schulterklopfen, verließen wir das Gesundheitsamt. Pater Franzisco bot uns nun an, uns auf einer Tour durch einen Landkreis zu begleiten und zwar zu dem entferntesten Ort, der etwa 2 ½ Autostunden entfernt liegt. Die Idee fand Anklang, doch musste der Padre vorher noch zu einer Festlichkeit anlässlich des 26. Jahrestages des Militärs. Es lag an unserem Weg und so lud er uns ein, ihn dorthin zu begleiten. Kaum dort angekommen wurden wir zu Grillfleisch und Cola eingeladen und natürlich wurden wir sofort in die Liste der Schützen aufgenommen, die an einem Wettschiessen teilnahmen. Geschossen wurde mit russischen AKN Karabienern. 10 Schuss liegend auf 100 m . Der Colonel gab uns persönlich die Einweisung in den Gebrauch der Waffe und dann schossen wir in einer 10er Gruppe. Katrin und ich brachten jeweils einen Treffer in die äußere Ecke der Scheibe; Peter war der Held des Tages, denn obwohl er noch nie geschossen hatte, landete er 8 Treffer mit 76 Punkten. Dann brachen wir auf in eine wunderschöne Landschaft. Wir fuhren noch einen kleinen Umweg und so konnten wir grandiose Ausblicke über Wald- und Feldlandschaft genießen bis hinüber zur honduranischen Grenze. Nach gut der Hälfte der Strecke änderte sich die Vegetation dramatisch.
Der Hochwald und kräftiges Grün wich einer Trockenlandschaft
mit Dornenbüschen. Wir erreichten Las Brisas. In einer Buschsteppe
lagen eine Schule und das Centro de Salud. Häuser, besser Hütten,
lagen weit verstreut in der Ebene. Die Leute hier waren wirklich bettelarm.
Wir wussten gleich: dies war der Ort den wir suchten. Hier wollten wir
arbeiten. Auf dem Rückweg machten wir noch einen Abstecher nach Santa
Maria, dem Capital des Municipio, zu dem Las Brisas gehörte. Mal
gerade 1500 Einwohner. Natürlich mussten wir auch diesmal wieder
durch verschieden kleine Bäche und zwei Flüsse. Als ein kräftiger
Gewitterregen dem bisher sonnigen Tag ein Ende setzte, trieb uns Padre
Franzisco zur Eile an; das Wasser würde sehr bald steigen. Wir kamen
aber gut durch und nach Einbruch der Dunkelheit (hier 19:00Uhr), besuchten
wir noch den Ort Ococona, der als zweiter auf unserer Liste steht. Viel
haben wir nicht mehr gesehen, wurden aber noch von einer alten Frau zu
Käsetortillas eingeladen. Um 21:00 Uhr erreichten wir Ocotal. Nun
mussten wir noch schnell mit Padre Franzico zu einer Abschiedsfeier. Die
ehemalige Alcaldessa (Buergermeisterin) von Ocotal gab eine Abschiedsfeier
zu Ehren eines jungen Deutschen, der hier als Zivildienst ein Jahr unter
ihrer Leitung in der Kinderbibliothek gearbeitet hatte. Gleichzeitig war
es das Willkommen für seinen Nachfolger, ebenfalls ein Zivi. Doña
Martha wird hier wie eine Heilige verehrt. Sie hat unheimlich viel für
die Bevölkerung von Ocotal, besonders für die Kinder geleistet,
solange sie unter den Sandinisten im Amt war. Inzwischen ist die ex Alcadessa
zur Frau des Jahrhunderts von Ocotal gewählt worden und mit einer
Statue im Stadtpark geehrt. Um 23:00 waren wir endlich wieder in unserer
Alberge - die von der Kirche betrieben wird und in die uns der Padre eingeladen
hatte. Während ich diesen Bericht schreibe, in eine Kladde auf den
Knien im Bett, fallen mir schon fast die Augen zu. Der heutige Tag war
so positiv verlaufen, dass wir alle sehr zufrieden - wenn nicht gar glücklich
sind. | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Tausend Tage sind eine lange Zeit wenn man sie noch vor sich hat; eine
nicht ganz so lange, wenn sie bereits hinter einem liegt. Liegt sie hinter
einem, so ist es ein guter Zeitpunkt - glaube ich - einmal darüber
nach zu denken; nicht so sehr, was passiert ist, was wir erlebt haben,
sondern was mit uns passiert ist, welchen Einfluss diese tausend Tage
an Bord auf uns selbst hatten (und noch haben).
Wenn ich schreibe ohne Hast, dann war damit gemeint, dass wir etwa ein
Drittel der Zeit segeln wollten und zwei Drittel irgendwo - in einem Hafen,
in einer geschützten Bucht, hinter einer Insel an einer Palme vertäut
- verbringen wollten. Mir schien diese Teilung - ein Drittel Segeln und
zwei Drittel Erholung - eine gute Mischung zu sein zwischen aufregenden,
aber auch anstrengenden Segelpassagen und erholsamen (und hoffentlich
ebenfalls aufregenden) Ruhephasen. Zweimal innerhalb von drei Jahren für
jeweils zwei Wochen in die Werft zu gehen, schien mir ausreichend. Insbesondere,
da ich einen (eiskalten) Winter in Dänemark in der Werft verbracht
hatte. Mir läuft noch heute ein Schauder den Rücken hinunter,
wenn ich an die Nächte bei zehn oder fünfzehn Grad Minus denke,
das Deck aufgerissen und notdürftig mit Planen abgedeckt, die offenen
Plankengänge im Logis mit Wolldecken verhängt; der kleine Petroleumofen
schaffte eine "behagliche" Wohnlichkeit von vielleicht fünf
Grad. Aber dann - Ende Dezember - war es geschafft: Alle maroden Planken
waren ausgewechselt, die 25mm-Sperrholz-Decksaufbauten durch 45mm Oregonpine
im 70mm Eichenrahmen ersetzt. Das gesamte Unterwasserschiff wurde mit
1,5mm Kupferplatten verkleidet um den unliebsamen Bohrmuscheln kein Futter
zu liefern; das Rigg in der Halle komplett überholt, wobei mir der
17m Mast mitsamt Baum, Gaffel, Rah, Klüverbaum und Toppsegelspiere
(alles Douglastanne) einmal im frisch lackierten Zustand von den Böcken
rutschte und im Sägemehl landete, so dass ich alles wieder abwaschen
musste. Gleich am nächsten Tag konnte ich das Abwaschen wiederholen,
denn ich konnte die Halle nur nach Feierabend nutzen und bei den niedrigen
Temperaturen war der Lack am nächsten Morgen noch nicht annähernd
trocken, als einer der Gesellen die Kreissäge in Betrieb nahm und
alles mit einer hübschen Schicht aus Sägespänen überzog.
Erst am folgenden Wochenende konnte ich mein Werk vollenden. Dann habe
ich das stehende Gut überholt, das laufende Gut zum größten
Teil - dort, wo nicht bereits geschehen - gegen Roblontauwerk ausgetauscht..
Vielleicht sollte ich an dieser Stelle einmal erwähnen, dass es
sich bei der "Grete" um einen ehemaligen, 1937 als Segler mit
Hilfsmotor gebauten, Gaffel getakelten Krabbenkutter von der Nordsee handelt.
Seit 1968 hat sie einen 150 PS-Sechszylinder-Deutz-Diesel und seit 1978
ist sie aus der Fischerei genommen. Heute trägt sie am Wind 130m²
auf 5 Segel verteilt und vor dem Wind mit Breitfock und Spitzer 54m².
Was jetzt kam, war Spaß und Stress zugleich. Spaß, weil wir
unterwegs waren, Stress, weil wir keine Zeit hatten. Freunde und Verwandte
werden auf uns warten - auf den Kanalinseln, in Lissabon, auf den Kanaren
- und wir sind viel zu spät dran. Also motoren, motoren und nochmals
motoren, solange der Südwest anhielt. Spätabends in die Häfen
rein, frühmorgens mit der passenden Tide wieder raus; die Nächte
durch zu segeln kam wegen Katrins angegriffenem Gesundheitszustand noch
nicht in Frage. So sahen wir kaum etwas von Holland, Belgien, Frankreich,
England und Spanien. Nur zwei Tage in den spanischen Rias, nur zwei Tage
in Porto - ich mag kaum dran denken, was uns dort alles entgangen ist.
Erst in Lissabon hatten wir unseren Zeitplan eingeholt. Um einiger ruhiger
Tage willen auf Graciosa (Kanaren), strichen wir Madeira aus unserem Programm.
Von jetzt an verlief alles nach Plan. Die Kanaren, die Kapverden, der
Atlantik. Zwei Tage verspätet liefen wir in Point-a-Pietre auf Guadeloupe
ein; die letzten Tage auf dem Atlantik waren geprägt durch eine wunderbare
Windstille. Hätte kein Besuch auf uns gewartet, hätten wir diese
Zeit noch mehr genießen können. Planmäßig segelten
wir dann die ostkaribischen Inseln ab nach Süden. Als uns die letzten
Freunde auf St. Lucia verließen, die ihr Kommen schon lange vorher
angekündigt hatten, holten wir erst mal tief Luft und lehnten uns
zurück. Es war schön mit ihnen, kein Zweifel, aber erst jetzt
waren wir Herr über unsere Zeit. In der Marigot Bay lud ich Katrin
zum Essen ein. Es war ein wundervoller Abend und wir fassten einen tollen
Entschluss: Wir wollten ab sofort nur noch einige Eckpunkte unseres Zeitplans
berücksichtigen, im Übrigen aber fahren oder bleiben wie es
uns gefiel. Das war im Februar, der nächste Eckpunkt war ende Mai,
dann wollten wir Grenada verlassen um der drohenden Hurrikangefahr zu
entgehen. Noch immer waren wir im Plan. Dann ging es nach Venezuela. Wir
wollten die Islas las Roques und die Islas las Aves besuchen. Vorgesehen
hatten wir dafür zwei Wochen. Zuerst allerdings mussten wir nach
Margarita zum Einklarieren - und blieben 14 Tage. Dann drei ungeplante
Wochen auf Blanquilla; wie haben wir diese unbewohnte Insel genossen.
Und nun war klar: unser Zeitplan war nicht zu halten. Wir entschlossen
uns, ein Jahr einzuschieben - und haben es nie bereut.
Als wir Bonaire erreichten, hatten wir seit Margarita sechs Wochen auf
den venezolanischen Inseln verbracht. Von früheren Reisen wusste
ich um die fantastische Unterwasserwelt Bonaires. Wir hatten bereits früher
beschlossen hier einen Tauchschein zu machen. Wir machten den für
Anfänger, wir tauchten weitere 30 Stunden allein, wir machten den
für Fortgeschrittene, wir nahmen an einer internationalen Regatta
teil, wir blieben dreieinhalb Monate und wir beschlossen, dass es wenig
Sinn macht, bei Bedarf hier ein Jahr ein zu schieben und dort ein Jahr
ein zu schieben. Wir warfen einfach den gesamten Zeitplan über Bord.
Die geplante Route sollte erst einmal weiter Bestand haben, aber es sollte
den Orten keine Zeiten mehr zu geordnet sein. Wir wollten fortan bleiben
wo und solange es uns gefällt und weitersegeln, wenn uns danach war.
Inzwischen hatte sich herausgestellt, dass wir dringend in die Werft
mussten. Unsere Schraube wurde schnell kleiner. Die Kupferbeplankung und
die eiserne Schraube und das eiserne Ruder verlangten weit mehr Zinkanoden
als wir angebracht hatten. Wir ließen die Ersatzschraube, die noch
in Dänemark lag, nach Curacao kommen und vereinbarten dort einen
Werfttermin. Einen Tag vor dem Slippen teilte uns die Werftleitung mit,
dass sie uns nicht rausholen konnten. Ihr Slippwagen war für moderne
Yachten ausgelegt und passte nicht zu unserem Unterwasserschiff. Kurzfristig
wurde ein Slipptermin mit dem Yachtclub vereinbart. Als die "Grete"
halb aus dem Wasser war, streikte die Winsch. Angeblich war die "Grete"
zu schwer. Wir waren bis dahin von ca. 24 to ausgegangen - ohne es genau
zu wissen. Nun hieß es, sie wiege mehr als dreißig Tonnen.
Die dritte und letzte Möglichkeit war eine Großschiffswerft.
Nach dreitägigen Verhandlungen erklärte sie sich bereit die
"Grete" aus dem Wasser zu nehmen - verlangten dann aber einen
so horrenden Preis, dass wir absagen mussten. Nun war guter Rat teuer.
Die nächste Möglichkeit war in Cartagena. Ich hatte mich bisher,
aus Sicherheitsüberlegungen heraus, immer gegen Kolumbien ausgesprochen;
Katrin wollte gerne hin. Viele Segler, die wir trafen, redeten mir gut
zu. Kolumbien sollte man zwar meiden, aber Cartagena sei als einzige Stadt
sicher und Werften gebe es genug. Die fünf Tage nach Cartagena waren
die anstrengendsten unserer bisherigen Reise. Platt vor dem Wind ließ
sich bei 5-6 Bft. alles gut an. Aber dann wurden die Seen ungewöhnlich
hoch und steil, eine unangenehme Kreuzsee kam hinzu, die "Grete"
arbeitete schwer und plötzlich kam die Rah samt Breitfock von oben.
War nicht ganz einfach, die zwischen Himmel und Erde wild hin und her
schwingende Rah zu bergen, aber dann ging es mit Groß, Klüver
und Fock weiter, nur konnten wir jetzt nicht mehr platt vor dem Wind segeln,
mussten vor dem Wind kreuzen. Da aber ein Halsen bei diesem Wind und dieser
See zu gefährlich war, fuhren wir jeweils eine Q-Wende und weil die
"Grete" gegen diese See nicht durch den Wind zu bringen war,
halfen wir mit der Maschine nach; bis diese nicht mehr starten wollte.
Nun mussten wir Halsen, nahmen dazu aber vorsichtshalber jedes Mal das
Groß weg, um es hinterher wieder zu setzten. Auch das - bei Nacht
und kaum zu bändigender Gaffel, mit nur Katrin und mir als Crew -
keine einfache Sache. So waren wir heilfroh, als wir mit Schlepperhilfe,
wegen inzwischen fehlendem Wind, in Cartagena einlaufen und den Anker
vor dem Club Nautico fallen lassen konnten. Cartagena, in dieser liebenswerten Stadt, die zum Weltkulturerbe ernannt wurde, blieben wir zweieinhalb Monate und wer weiß - hätten sich nicht schon Monate vorher Freunde zu Besuch angemeldet und bereits die Flugtickets nach Panama gekauft - wir wären wohl noch länger geblieben. Natürlich standen die Werftarbeiten im Vordergrund, aber die Stadt hatte so viel zu bieten, dass wir nie müde wurden sie immer wieder aufs Neue zu durchstreifen. Cartagena ist eine lebendige Stadt, aber anders als alle anderen südamerikanischen Städte die ich kenne, ist sie nicht laut: sie ist lebendig und beschaulich zu gleich. Wie haben wir die lauen Abende genossen, wenn wir über eine der vielen Plazas schlenderten, an kleinen, fahrbaren Imbissständen Arrepas (mit z.B. Ei oder Fleisch gefüllte Maismehlfladen) kauften, den Straßenmusikanten zu hörten oder uns in einem der vielen Staßencafés nieder ließen, dem bunten Treiben zusahen und einen kühlen Drink schlürften. Katrin nutzte gleichzeitig die Gelegenheit ihre Spanischkenntnisse zu erweitern; sie hatte bereits auf Bonaire Unterricht genommen. Aber dann kam der Tag der Abreise. Zwei Tage hatten wir bereits verstreichen lassen, obwohl unsere Freunde bereits auf uns warteten, da das Wetter zu schlecht für die Überfahrt nach Panama war. Dann aber ging es endlich los. Der Wind war günstig, aber die See ging immer noch hoch; und steil. Dreimeterwellen auf dem Atlantik stellen wirklich kein Problem dar, aber hier waren sie sehr kurz und steil und liefen chaotisch durcheinander. Die "Grete" wurde kräftig hin und her geworfen und krachte immer wieder gegen diese steilen Wasserwände. Gerade hatten wir in der Werft alle Plankennähte neu kalfatet und glaubten das Schiff trocken. Schon bald gaben aber die Verbände der rauen See nach, je länger wir unterwegs waren, desto mehr Plankenstöße ließen Wasser eindringen. Wenn wir gehofft hatten, dass nun endlich mal alle Schränke trocken bleiben würden, so hatten wir uns getäuscht - am nächsten Morgen fanden wir alle unsere CDs in Salzwasser gebadet wieder (und so manches andere auch). In der Nacht dann hörte ich ein verdächtiges Rauschen aus dem Maschinenraum. Der Schalldämpfer war durchgerostet und bei jedem Überholen des Schiffes ergoss sich ein Schwall Wasser ins Schiff. Ein Froteehandtuch, ein Brett und einige Holzkeile schufen erst mal Abhilfe und dann erreichten wir die Inseln. Herrmann Melville nannte die Galapagosinseln "die Inseln der Seligen".
Auf die San Blas Inseln trifft dieser Ausdruck mindesten ebenso zu. Seit
einem Jahr halten wir uns jetzt in diesem Archipel auf. 360 Inseln, davon
nur etwa 70 bewohnt, lagern auf 200 km Länge der Küste Panamas
vor. Hier, in Kuna Yala, dem Land der Kuna, dem semiautonomen Gebiet der
Kuna Indianer, haben wir eine für uns neue Art des Segelns kennen
gelernt. Zeit zu haben, sich die Zeit zu nehmen, die man braucht, ist
eine für uns neue Erfahrung. Nicht nur in der Fortbewegung, sondern
auch im Lebensrhythmus selbst. Viel haben wir hier erlebt, wir sind auf
Urwaldflüssen - Streckenweise auch auf Wildwassern - ins Landesinnere
eingedrungen, haben dort Indianerdörfer besucht; wir haben vor palmenbestandenen
Inseln geankert; haben im glasklaren Wasser der Korallenriffe geschnorchelt
und sind mit riesigen Rochen und Haien auf Tuchfühlung getaucht.
Und hier haben wir vor fast einem Jahr am Strand einer unbewohnten Insel,
umgeben von Palmen, unter einem Zeltdach - bestehend aus unserer Breitfock,
die uns bereits von Europa nach Amerika gezogen hatte - geheiratet. Ein
Richter kam extra, erst mit dem Flugzeug, dann mit dem Einbaum, aus Panama
City auf unsere Hochzeitsinsel Ordupbanedup, um uns zu trauen.
Diese Arbeit erstreckt sich allerdings nicht nur auf das Krankenhaus
in Ukupseni sondern auch auf eine ganze Reihe von kleinen Inseln und Dörfern
auf dem Festland, die mit dem Kayuko des Krankenhauses in unregelmäßigen
Abständen angefahren werden um dort die ärztliche Versorgung
wahrzunehmen. Durch diese Tätigkeit bekamen wir sehr gute Eindrücke
vom Leben der Kunas; bald schon war die "Grete" hier bekannt
wie ein bunter Hund. Wo immer wir auftauchten, wurden wir überaus
freundlich von den Indianern begrüßt und willkommen geheißen.
Und natürlich stellen sich dann auch schon mal "Patienten"
ein. Eltern, die um Rat und Medikamente für ihre kranken Kinder nachsuchen.
In solch akuten Fällen kann Katrin sich natürlich nicht verweigern
- und die Kuna danken es uns durch ihre Freundlichkeit. Reinhart | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||