Bei der Atlantiküberquerung

 

 

 

Reisetagebuch

Dieses Tagebuch wird von erfreulich vielen Menschen verfolgt, auch sehr vielen, die Katrin und Reinhart noch nie gesehen haben. Dies freut uns (auch den Webmaster) sehr. Wir wollen daher speziell diese Tagebuchseiten in ihrer Funktionalität verbessern.

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Da die Tagebucheinträge doch sehr unregelmäßig erscheinen und viele Leute wohl so immer wieder vergeblich nach einem neuen Beitrag schauen, wird es ab jetzt eine Mailing-list geben. Jeder, der per email benachrichtigt werden möchte, sobald ein neuer Tagebuchbericht erschienen ist, sende bitte eine email an den Webmaster R. Hamann. Die Adresse ist grete@reinhard-hamann.de.Persönliche Nachrichten bitte direkt an Katrin und Reinhart an folgende email: k.hennings@gmx.net

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September 2005In Colon

Juli 2005

Zurück aus Deutschland

April 2005

Revolution in Kuna Yala

März 2005

Centro Salud Playon Chico

Februar 2005

Woher die Kuna kommen

 

 

Ältere Tagebuchberichte:

Bitte zum Ende gehen.

In Colon

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Dem Rost den Kampf angesagt

Übermorgen wollen wir nach Nicaragua fliegen. Die "Grete" haben wir deshalb in die Marina in Colon gelegt. Hier wird man gut auf sie aufpassen, während wir uns im Ausland befinden. Die letzten Wochen haben wir in den San Blas Inseln verbracht. Die Zeit dort war geprägt durch viel Arbeit. Ich hatte mir vorgenommen die Maschine zu entrosten und sie neu zu lackieren. Leider ging ein Großteil der Zeit für andere, wichtigere Arbeiten drauf; es gab ständig Probleme mit der Stromversorgung.

frisch eingedieselt

Entrostet ist die Maschine jetzt zwar, aber zum Lackieren hat es nicht mehr gereicht. So musste eine Sprühdusche mit Dieselöl vorerst reichen, damit sich der Rost nicht erneut bilden kann.
Die Fahrt nach Colon ließ sich anfänglich sehr schön an; günstiger Wind und Sonnenschein ließ mal wieder ein gutes Segelgefühl auf kommen - aber dann, etwa eine Stunde vor Erreichen von Colon, kam es ganz dick.

 

 

 

Ein Gewitter zieht auf

Ein schweres Gewitter mit Sturmböen und wolkenbruchartigem Regen reduzierte die Sicht fast auf Null und während wir kurz vorher noch mit leichter achterlicher See und Dünung liefen, blies uns der Wind jetzt direkt ins Gesicht und verursachte eine steile, chaotische See, so dass sich die "Grete" oft steil aufbäumte und sich zur Seite warf, bevor sie ins nächste Wellental fiel.

Zwei Yachten warf der Sturm aufs Riff.

 

 

 

 

 

SY NECESSETY schleppen wir als erste frei

 

 

 

 

So waren wir heilfroh den schützenden Hafen noch vor Sonnenuntergang erreicht zu haben. Zwar gehört der Panama Canal Yacht Club in Colon keineswegs zu unseren Lieblingsorten, aber dann haben wir es doch sehr genossen, als wir fest gemacht hatten, eine Wasserleitung und eine Stromleitung verlegt hatten und nun direkt in Frischwasser und Licht schwelgten. Alle Lichter waren an und das Wasser sprudelte nur so ins Waschbecken; zwei Zustände, die wir in den vergangenen Wochen arg vermisst hatten, als wir mit 600 Liter Wasser (ergänzt durch Regenwasser, das aber nicht trinkbar war) sieben Wochen auskommen mussten, und die Beleuchtung meist auf eine einzige Glühbirne (unterstützt von unserer Petroleumlampe) reduziert war.

Roberts Anna

Das Gewitter beim Einlaufen rief bei mir aber auch Erinnerungen wach an unsere ersten Tage während unsere Besuches in Deutschland. Da bin ich mal wieder die Rumregatta in Flensburg mit gesegelt. Diesmal aber natürlich nicht mit der "Grete" sondern als Gast auf Roberts "Anna", einem stilvoll restauriertem Ewerbeiboot - natürlich offen und gerade mal Platzt für drei Mann bietend.

Rumregatta: kalt, aber schön

Wie immer war die Rumregatta für mich ein großartiges Erlebnis, wenn man aber gerade aus den Tropen kommt, dann in einem offenen Boot sechseinhalb Stunden bei Nässe und Kälte ausharren muss -

 

 

Hagelschauer bei der Rumregatta

wir haben den Hagel, den uns eine Gewitterbö bescherte, aus den Refffalten geklaubt und daraus Schneebälle geformt - dann ist es nicht weit, bis man sich zurück sehnt in die sonnigen San Blas Inseln.

 

 

Zu Besuch auf der Nachbarinsel

 

 

 

 

 

 

 

Ottilda präsentiert sich mit ihrer Kokosnußernte

 

 

 

 

Ein dicker Thun biß auf der Fahrt nach Colon an

 

 

 

 

 

 

 

Nun ist aber auch das schon wieder Vergangenheit und ich bin gespannt, was uns in Nicaragua erwartet. Weshalb wir dorthin fliegen, darüber hat Katrin ja bereits berichtet.
Reinhart

Zurück aus Deutschland

Doc-Version

Tagebucheintrag vom 25.7.05

Jetzt sind wir seit gut 3 Wochen wieder aus Deutschland zurück und wieder zu Hause auf der Grete.
Das Einleben an Bord war gar nicht so leicht, obwohl ich das schon befürchtet hatte, ich glaube, je länger wir in Deutschland sind, um so länger dauert das dann auch. Erst mal gab es wieder nach der Ankunft eine riesen Putzaktion, 4 Tage nonstop. Und dann hatte ich nicht nur verdrängt was bei unserer Abfahrt alles kaputt war, sondern auch wie es sich anfühlt wenn ständig etwas kaputt geht...
Aber diese Gefühl war dann schon nach wenigen Stunden wieder sehr vertraut. Inzwischen kann ich fast schon routiniert den Vergaser unseres Honda Generators reinigen (das Benzin hier ist recht schmutzig), aber unsere e-Mail , bzw. das Funkgerät konnten wir noch nicht zum Funktionieren überreden, trotz vieler hilfreicher Tipps, die wir in Deutschland bekommen hatten. So sind wir also erst mal weiterhin auf die Nachbarschiffe angewiesen, dort können wir wenigstens ab und zu unsere Mail abrufen und senden.
Ein neues Dinghy mussten wir uns auch leider kaufen, wir hatten eigentlich gehofft das alte wenigsten noch mal für kurze Zeit wiederbeleben zu können, denn unser "Wunsch"-Dinghy ist ein hölzernes, auch gut zum Rudern und Segeln, das aus 2 Teilen besteht und ineinander verstaut werden kann (Nester Dinghy), aber das muss erst noch gebaut werden.....Da sich fast alle Nähte des alten Schlauchbootes gleichzeitig geöffnet hatten, blieb uns also nichts anderes übrig als für viel Geld das zu kaufen, was es gerade gab. Ein 8 Fuß (2,4m) langes Schlauchboot von Caribe mit festem Boden. Das ist aus Hyperlon gefertigt, widersteht der UV-Strahlung und kann quer auf dem Aufbau verstaut werden. Die Hoffnung auf unser Nesterdinghy ist aber noch nicht aufgegeben!
Ja, und zur Zeit liegen wir wieder auf unserem "Stammplatz" vor Ordupbanedup unserer Hochzeitsinsel, auf der einen Seite haben wir den Anker, auf der anderen eine Leine an einer Palme festgemacht. Zur Sicherheit, denn um diese Jahreszeit dreht der Wind öfters.
Das passierte auch vor 3 Tagen morgens gegen 5 Uhr in einer kräftigen (40 knoten) Sturmbö während eines Regenschauers. Bei 2 von den 6 hier ankernden Yachten hielt der Anker nicht, slippte und die Schiffe endeten auf einem der Riffe hier zwischen den Inseln. Den ganzen Tag über waren alle Segler bemüht Hilfe zu leisten und als die Tide dann wieder stieg konnten wir sie beide von ihrem Riff herunter schleppen, denn eine so starke Maschine wie die Grete hat hier sonst keine Yacht. Ein erfolgreicher und aufregender Tag.
Und seit 2 Tagen kann ich auch sagen, dass ich dass Gefühl habe mich wieder eingelebt zu haben, aber so lange hat es doch gedauert. Jetzt denke ich nicht mehr unruhig an spätere Berufsperspektiven, hadere was ich in Deutschland doch alles noch hätte erledigen wollen oder wen ich versäumt habe zu besuchen (die Zeit hat einfach nicht gereicht), denke nicht mehr wir müssen dringend weiter segeln, voran kommen, sondern genieße wieder das enge Zusammenleben mit Reinhart an Bord (auch daran musste ich mich wieder gewöhnen), die Ruhe und Langsamkeit, das Meer, die Natur, die freundlichen Kunas, das Mola gucken und kaufen, das Angeln, die Grillparties am Strand, das Schwimmen, aber auch die langsame aber stetige Arbeit an der Grete, wie immer gibt es unendlich viel zu tun, einiges davon ist sehr dringend, gerade haben wir das Großprojekt begonnen die Maschine zu entrosten und zu streichen.....
Aber so sehr lange werden wir ja gar nicht mehr zu Hause sein, Mitte August fliegen wir nach Nicaragua, denn dort werden wir (erst mal) für 6 Wochen für "Ärzte für die 3.Welt" eine rolling clinic aufbauen - oder zumindest damit anfangen. Schade wieder abzufahren, aber auf die Arbeit freue ich mich schon sehr.
Katrin

Revolution in Kuna Yala

Doc-Version

Tagebucheintrag April 2005

Fahlgelber Himmel, die eben aufgegangene Sonne verbirgt sich hinter grauen Wolken; davor, einem Scherenschnitt gleichend, die dunkle Silhouette einer Palmeninsel. Der Außenborder stört die Stille der Natur empfindlich während ich das Dinghy langsam durch die kurzen, steilen Wellen steuere. Wir sind auf dem Wege von Iskartupu - wo die "Grete" vor Anker liegt - nach Ukupseni, wie Playon Chico in der Sprache der Kuna genannt wird. Ich fahre Katrin zum Centro Salut, wo sie ,wie immer in diesen Tagen, morgens um sieben ihre ehrenamtliche Arbeit als Kinderärztin aufnehmen wird. Üblicherweise fährt sie allein, doch heute bringe ich sie hin, denn ich will auf gar keinen Fall den Höhepunkt dieses Tages versäumen. Irgendwann in den frühen Morgenstunden werden aufständische Kuna zwischen den Hütten hervorbrechen und die verhassten Polizisten der panamesischen "Policia colonial" umbringen: Ein ganzes Dorf spielt Geschichte; die Geschichte der Kunarevolution vom Februar 1925. Der Tag des Aufstandes jährt sich heute zum 80ten Male. Wir sind eingeladen daran teil zu nehmen. Seit Monaten schon redet jeder hier im Ort von diesem Fest - und jeder, den wir hier kennen, hat uns aufgefordert zu kommen und zu sehen, wie die Kuna das Joch der Kolonialherren abschüttelten und ihre Freiheit wieder gewannen.
Doch zuerst zu den Geschehnissen von 1925:

Die Krieger

Anfang der 20er Jahre hatte die Regierung Porras in Panama ein Gesetz erlassen, welches die Assimilierung der Kuna zum Inhalt hatte. Man wollte kein Vielvölkerstaat sein. Es war erklärtes Ziel, die Kultur der Kuna verschwinden zu lassen. Auf den größeren Inseln wurden Polizeiposten errichtet und die von den Kuna "Policia colonial" genannten Polizisten begannen systematisch das Kulturgut der Kuna zu verbieten. So wurde das Tragen von Nasenringen verboten - falls die Frauen sie trotzdem trugen, wurden sie ihnen brutal herausgerissen - ebenso das Tragen der Molablusen; auch diese wurden ihnen vom Leib gerissen, falls sie sich dem Verbot wiedersetzten. Verboten wurden die Versammlungen im Versammlungshaus, das Flötenspiel, der Tanz nach Flöte und Rassel. Des weiteren das Beerdigungsritual in der Hängematte (darüber werde ich noch mal etwas berichten) und das Trinken von Chicha, einem berauschenden Getränk, dass unbedingt zum Ritual der Frauwerdung der jungen Mädchen gehört. Die Polizei ließ Tanzhäuser errichten und zwang die jungen Frauen sich westlich zu kleiden und eng mit ihnen zu tanzen. (Wenn Kuna tanzen, kommt es niemals zu körperlicher Berührung). Vergewaltigungen waren an der Tagesordnung.

Krieger mit Holzgewehren

So kam, was kommen musste: in einer spontanen Aktion erhoben sich die Einwohner einer Insel und schlugen die Polizisten tot oder vertrieben sie und obwohl es keinen Telegrafen gab und das Ulu - der Einbaum - das einzige Verkehrsmittel darstellte, verbreitete sich die Nachricht in Windeseile und im Umkreis von 100 km schlossen sich noch am gleichen Tage mehrere, größere Inseln dem Aufstand an.
Dank der Vermittlung der Amerikaner - die Fregatte Cleveland befand sich in der Nähe - kam es zu keiner Vergeltungsaktion. Die "Kulturgesetze" wurden aufgehoben und schrittweise bekamen die Kuna mehr und mehr Rechte, bis sie 1953 zum semiautonomen Gebiet erklärt wurden und seither Kuna Yala (die Comarca San Blas) selbstständig regieren.

Fast hätten wir die Spiele verpasst. Wir hatten die letzten Tage an einer Palme der Insel Waisaladup festgemacht und einige Überholungsarbeiten am Schiff durchgeführt. Katrin hatte Arbeitspause, da Dr. Cheng, der ärztliche Direktor und in Personalunion auch sein einziger Arzt und zeitweiliger Koch, in Panama City weilte und Katrin nur arbeiten darf, wenn er anwesend ist. Als wir dann den Motor starteten, stellten wir eine Leckage am Druckschlauch der Brennstoffzufuhr fest. Nach mehreren vergeblichen Versuchen das Leck zu dichten, kam uns ein befreundeter Segler zu Hilfe, indem er uns ein kleines Metallrohr schenkte und nachdem ich den Schlauch an der Leckstelle durchgeschnitten hatte, das Metallröhrchen eingeführt und mit Schlauchschellen den Schlauch wieder darüber befestigt hatte, war der Schaden notdürftig behoben und wir konnten die Leine an der Palme loswerfen und uns auf den 28 sm langen Weg nach Playon Chico machen. Spät am Sonnabend kamen wir an. Am Sonntagvormittag begaben wir uns dann in den Ort. Die Revolutionsfeiern sollten heute beginnen . Sogleich als wir den Ort betraten, fielen uns die vielen Polizisten auf, die im Gegensatz zu den üblicherweise ordentlich uniformierten Ordnungshütern ziemlich abenteuerlich gekleidet waren und in undisziplinierten Haufen durch die Straßen zogen. Schon nach wenigen Minuten waren wir verhaftet und wurden in ein provisorisches Gefängnis eingeliefert. Hier klärte sich aber alles sehr schnell auf. Ein junger "Polizist" erzählte uns den Hergang der Revolution. Er spielte eben am Tage des Aufstandes einen Angehörigen der damaligen "Policia colonial" und verhaftete willkürlich Leute auf der Straße oder aus den Häusern heraus. Nachdem wir einen kleinen Beitrag zur Finanzierung der Festspiele geleistet hatten, wurden wir wieder auf freien Fuß gesetzt. Vorher erzählte er uns noch, dass die Spiele am Nachmittag beginnen würden und dass am Abend eine Tanzveranstaltung stattfinden würde. Einen richtigen Zeitplan gab es nicht; auf unsere wiederholten Fragen, um wie viel Uhr denn ein bestimmtes Ereignis stattfinden würde, erhielten wir immer wieder die Antwort, so genau könne man das nicht sagen, man würde schon sehen, wenn es los geht. Also gingen wir im Ort spazieren und setzten uns später mit einer Cola auf die Bank vor einem kleinen Laden, der direkt an dem zentralen Platz lag. Einige Jungendliche spielten Basketball. Nichts deutete auf ein ereignisreiches Wochenende hin.

Moonchild (Albino)

Nach und nach versammelten sich die Einwohner um den Platz - einige brachten Plastikstühle oder Holzbänke mit. Fast unbemerkt betraten zwei Männer den Platz. Sie ließen sich in dessen Mitte nieder und begannen auf ihren Panflöten zu spielen. Die Jugendlichen machten noch ein paar Würfe auf den Korb, dann verließen sie den Platz. Die Männer saßen sich im Schneidersitz gegenüber, spielten und wiegten ihre Oberkörper im Takt der Musik. Ein sehr friedliches Bild. Doch dann kamen einige Polizisten dazu. Zuerst gingen sie an den Flötenspielern vorbei, kehrten jedoch um und beschimpften sie, verließen den Platzt erneut und kehrten wiederum zurück. Immer wieder gingen sie an den Flötenspielern vorbei.

Zwei Freunde

Zuerst knufften sie sie, dann traten sie mit Füßen nach ihnen, zum Schluss verprügelten sie die beiden und schleppten sie dann zum Gefängnis. Nun betraten zwei Männer den Platz und wie ihre Vorgänger ließen auch sie sich in der Platzmitte nieder und begannen Körbe zu flechten. Wiederum betraten die Polizisten die Szene und die Handlung wiederholte sich. Auch diese beiden wurden misshandelt und inhaftiert. Ende des ersten Aktes. Wir bestiegen unser Dinghy und fuhren an Bord. Nach dem Abendessen - es war inzwischen dunkel geworden - fuhren wir erneut nach Ukupseni; wir hofften eine schöne Vorführung traditioneller Tänze zu erleben. Aber schon auf dem Weg zum Tanzplatz, der in der Mitte der Hautstraße lag, wunderten wir uns, dass wir keine Flötenmusik, sondern moderne Tanzmusik hörten. Und tatsächlich: der Tanzplatz hatte sich in eine Disco verwandelt. Wir waren enttäuscht und wollten schon gehen, als wir Lao begegneten. Lao ist eine etwas ungewöhnliche Person - jedenfalls nach unseren Maßstäben. Er trägt die Haare sehr lang, schminkt sich die Lippen, trägt aber Männerkleidung. Wir hatten seine Bekanntschaft schon früher gemacht. Er hat uns sehr viel über sein Volk erzählt. Meist wohnt er in Panama City, wo er Kunsthandwerk seiner Leute verkauft und als Fremdenführer arbeitet. Heute hatte er sich besonders schön gemacht; auf seinen gepflegten langen Haaren trug er eine strassbesetzte Krone und so tanzte er zu den Merengueklängen allein oder mit einem "Polizisten".

Vater und Sohn

Jetzt erfuhren wir von ihm, dass diese Disco keine Disco war, sondern die Nachbildung einer Tanzveranstaltung, wie sie von den damaligen Polizisten veranstaltet worden waren; und er spielte seine Großmutter, die seinerzeit zum Tanz gezwungen wurde. Es war frappierend, wie sich Gegenwart und Vergangenheit in diesen Tagen ständig im täglichen Leben begegneten. So hatten wir - trotz des Ernstes der Lage - keineswegs den Eindruck, dass sich die jungen Leute beim schwungvollen und zeitweilig auch engen Tanzen unwohl fühlten; im Gegenteil, sie schienen es durchaus zu genießen. Bemerkenswert schien mir aber, dass keine Frau in traditioneller Tracht tanzte. Wir sahen noch eine ganze Weile dem bunten Treiben zu. Dann fuhren wir an Bord; gespannt, was der nächste Tag bringen würde
Nun, und jetzt war also Montag. Ich erfuhr, dass die Spiele gegen neun Uhr beginnen sollten und zwar würde es ein Drama in acht Akten sein - verteilt über drei Tage. Die einzelnen Akte würden jeweils zu dem Zeitpunkt und an dem Tag aufgeführt werden, wie es das historische Vorbild verlangte.
Kurz vor neun traf ich mit Katrin zusammen. Es waren heute nur wenige Patienten in die Sprechstunde gekommen und so konnte sie frühzeitig das Krankenhaus verlassen. Kaum war sie auf dem freien Platz beim Schiffsanleger eingetroffen, brach das Spektakel los.

Kampfgetümmel

Aus allen Seitengassen, die auf den Platz mündeten, kamen Gestallten in roten Hemden und weißen Stirnbinden gerannt, die Gesichter rot bemalt, um die Augen herum geschwärzt, mit grimmigen Minen, kamen sie in gebückter Haltung, formierten sich zu einer langen Schlange - die älteren vorweg, die Jüngeren, bis herab zu etwa 10 Jahren, hinterher - umkreisten sie den Platz, ihre Holzgewehre im Anschlag, die Machete zum Schlag erhoben, schlängelten sie sich durch die Zuschauer, warfen ihnen furchteinflößende Blicke zu, bedrängten sie oder schrieen sie an, bevor sie sich weiter in der Runde bewegten - Raubkatzen gleich. Dann plötzlich brach aus einer Seitengasse ein Trupp hervor, der zwei gefangene Polizisten vor sich her trieb. Ich kann mir nicht helfen, aber die Stöße mit den Gewehrkolben, die Hiebe mit der flachen Seite der Machete sahen verdammt echt aus; Fausthiebe und Fußtritte warfen die Opfer auf den Zementboden, wo sie weiter malträtiert wurden, während an die fünfzig Rothemden um sie herum tobten, wilde Schreie ausstießen und mit ihren Waffen drohten. So ging es eine ganze Weile weiter, bis die Opfer schließlich unter schrecklichen Zuckungen "ihren Geist aufgaben".

Junge Krieger

Nun wurden sie geschultert und unter Triumphgeheul vom Platz getragen, umgeben von all den anwesenden Rothemden. Nur Minuten später strömte die ganze Horde zurück auf den Platz, formierte sich in der Mitte zum engen Kreis, wo sie - ihre Waffen gen Himmel reckend - in Rufe ausbrachen wie: "Es lebe Kuna Yala", "Es lebe die Revolution". Nun löste sich die Masse der Kämpfer auf und in kleinen Trupps verschwanden sie lautlos in den Gassen zwischen den Hütten. Ende des zweiten Akts.

Vater stirbt in den Armen des Sohnes

Ähnlich verliefen auch die nachfolgenden sechs Akte. Mal wurden Polizisten gefangen, mal wurden sie verjagt, wurden noch im Wasser weiter verfolgt, wenn sie sich schwimmend in Sicherheit bringen wollten. Ein besonders ergreifender Teil stellte die Geschichte nach, in der ein junger Mann seinen eigenen Vater erschoss, weil dieser bei Nacht - von einer anderen Insel kommend - auf den Anruf in der Sprache der Kuna - auf Spanisch antwortete, so für einen Polizisten gehalten wurde und durch die Kugel seines eigenen Sohnes fiel. Vater und Sohn wurden durch Enkel und Urenkel der Beteiligten dargestellt. Die Szene war so ergreifend gespielt, dass es - zum einzigen Male - Applaus auf offener Bühne gab.

Der letzte Akt am dritten Tag zeigte die Tötung eines kleinen Kindes - dargestellt durch eine Puppe - (tatsächlich wurden 1925 einige Mischlingskinder, die durch Vergewaltigung gezeugt worden waren, umgebracht), sowie die Begnadigung eines Kollaborateurs.

Kollaborateur wird zurückgebracht

In der Tat wurde dieser 1925 erschlagen, aber die Regie glaubte kurzfristig eine Änderung gerechtfertig, um damit den Willen zum friedlichen Miteinander zu demonstrieren. Fragwürdig, ob dieses sicherlich noble Ziel eine Verfälschung der Geschichte rechtfertigt.
Wie dem auch sei: für uns waren diese Tage ein großes Erlebnis. Wir haben viel über die Geschichte gelernt und wir waren sehr beeindruckt, wie die Kuna ihre Geschichte nicht nur darstellten, sondern lebten. Und während wir sonst, wenn wir etwas fotografieren wollten, oft um Bezahlung gebeten wurden, so waren die Darsteller - und mit ihnen das ganze Volk - während der Festspiele ständig bereit für uns zu posieren.

Revolutionsflagge wird gehißt

Oft forderten sie uns direkt auf, eine Szene oder eine Person im Bild fest zu halten. Sie waren sehr stolz auf die Revolution und wollten, dass wir davon in der Welt berichten.
Reinhart

Centro Salud Playon Chico

Doc-Version

Tagebucheintrag vom 3.3.05

Mein morgendlicher Arbeitsweg

Reinhart hat ja schon im letzten Jahr berichtet, wie es sich ergeben hat, dass ich in Playon Chico gefragt worden bin, ob ich nicht für einige Zeit als Kinderärztin im Ort arbeiten könnte. Nachdem ich dann tatsächlich die Genehmigung vom Gesundheitsministerium bekommen habe, habe ich im November begonnen im Centro Salud in Playon Chico (Ukupseni) mitzuarbeiten. Erschwert wurden die Arbeitsbedingungen dadurch, dass mein Spanisch nicht gut ist und Kuna kann ich gar nicht sprechen - viele Frauen aber sprechen kein Spanisch.. So habe ich bei Dr. Chen mitgearbeitet, dem medizinischen Direktor und einzigen Arzt im Centro Salud. Meine tropenmedizinischen Erfahrungen liegen ja schon sehr lange zurück, so konnte ich viel lernen und habe es genossen seit Bremerhaven zum ersten mal wieder als Kinderärztin zu arbeiten. Andererseits gibt es hier im ganzen Archipel der San Blas Inseln keinen Pädiater, so dass ich ab und zu mit einem kinderärztlichen Rat helfen konnte.
Der überwiegende Teil der Patienten im Krankenhaus waren Kinder. Entsprechend den Wachstumskurven waren 91% von ihnen unterernährt, fast alle haben Läuse, viele Krätze, die meisten eitrige Hautinfektionen und auch Parasiten sind sehr verbreitet. Die Zahl der HIV Infektionen ist sehr hoch, aber genaue Zahlen liegen nicht vor, denn hier kann kein "AIDS"- Test gemacht werden.
In diesem Artikel veröffentliche ich Auszüge aus dem Tagebuch, dass ich während meiner Arbeit geschrieben habe, denn für mich war es eine sehr spannende Zeit und ich möchte gerne über meine Erfahrungen berichten.

2.Tag

Centro salud in Playon Chico, "mein" Krankenhaus

Heute sind wir mit 14 Leuten aus dem Krankenhaus in einem Motorboot (Lancha) mit Außenborder zu einer Outpatient Klinik nach Aidirgandi gefahren. Outpatient Klinik bedeutet, dass ein Ort, in dem es sonst als einziges medizinisches Personal nur einen kurz ausgebildeten Schwesternhelfer gibt, einmal im Monat Arzt, eventuell auch Zahnarzt, Schwestern und Krankengymnastin kommen, um vor Ort Patienten zu untersuchen, zu behandeln und zu impfen.
Aber anstatt wie geplant um 6.00 loszufahren, haben wir bis 8.00 vergeblich auf Impfstoffe gewartet. Das Turismoaero Flugzeug ist nicht gekommen.
Beim Aufstehen war es noch dunkel, aber dann sah man langsam Licht am Horizont über Playon Chico und schließlich ging auch die Sonne auf. Der Wind blies heftig aber der Himmel versprach einen schönen Tag.
Als ich um 6.00 Uhr in der Klinik ankam, saßen noch alle beim Frühstück, Dr. Joaquin Chen schmierte Brote für unterwegs. Und da wir dann noch viel Zeit hatten, haben wir uns in sein Zimmer gesetzt, Büro und Wohnung in einem, sehr einfach aber mit spektakulärem Blick über das Meer und die Inseln und er hat erzählt: Seit 21 Jahren arbeitet er schon auf den San Blas Inseln, 16 Jahre in Ailigandi, 5 in Playon Chico. Und er möchte nirgendwo anders arbeiten als auf den San Blas Inseln. In der Stadt gefällt es ihm nicht, gerade die Natur, das Meer, die abenteuerlichen, schönen und anstrengenden Fahrten zu der outpatient Klinik, bei der er unterwegs zu seinen Patienten einfach mal die Angel auswerfen und fischen kann, das ist die Arbeit die er liebt. Und in der Politik oder einem Büro will er schon gar nicht arbeiten, ohne seine Patienten möchte er nicht sein.
Ich nutze auch die Gelegenheit nach den Kontakten zu den Naturheilern zu fragen. Diese sind nicht so gut, wie man sich vorstellen könnte. Schade ist es, das die Alten oft Schwierigkeiten haben einen Nachfolger zu finden.. Die Pflanzen müssen aus großer Entfernung aus dem Wald geholt werden, mit den entsprechenden Gebeten und Gesängen, sonst funktioniert es nicht. Die traditionellen Heiler bitten jede Pflanze vor der Ernte um ihre Erlaubnis, "erklären" für welchen Zweck sie gebraucht wird.. Bei vielen Krankheiten hilft diese Heilmethode, bei Malaria und besonders in der Geburtshilfe. Studien vor ca. 10 Jahren haben ergeben, dass 98% aller Krankenhaus Patienten vorher bei ihrem Heiler waren. Den müssen sie auch bezahlen und er gibt keinen Kredit, ist sogar recht teuer. Im Krankenhaus kostet ein Arztbesuch 25 Cent, Medikamente und Laboruntersuchungen kosten extra. Aber niemand muss wieder gehen weil er nicht bezahlen kann, etwas muss gezahlt werden, soviel wie man eben kann, der Rest ist Kredit - und wird oft nicht gezahlt. Das Krankenhaus hat ausstehende Kredite von über 10.000Dollar. Oft gibt es für Medikamente keine finanziellen Mittel und dann kauft Dr. Chen selbst in Panama in einer Apotheke ein. Patienten mit Fieber können eben nicht warten bis irgendwann mal wieder Geld für Tylenol da ist. Auch die einzige Putzfrau im Krankenhaus wird so bezahlt. Die Regierung hat für diese Tätigkeit kein Geld eingeplant.
Dr. C. ist eigentlich immer im Einsatz, rund um die Uhr, nachts ist es allerdings meist ruhig, 20 Tage im Stück, dann hat er wieder frei und kann für 10 Tage zu seiner Familie nach Panama City fliegen. Nur wenigen Kollegen gefällt dieses Leben. Eine Stelle für einen Kinderarzt ist unbesetzt. Drei Pädiater waren schon hier, einer hat es sogar 8 Monate ausgehalten. Dann wollte auch er lieber wieder in die Stadt und auch Privatpatienten behandeln.
Und dann berichtet Dr. C. mir noch über andere Probleme in den Orten: San Blas ist die Provinz mit der 3. höchsten Rate des Landes an HIV Infektionen. Tests können hier nicht gemacht werden, also wird auch nur selten behandelt. Und viele Kinder werden schon HIV positiv geboren. Das Problem entsteht deshalb, weil man über Sexualität nicht spricht, es ist ein Tabu, Kondome werden nicht benutzt. So kann sich die Krankheit immer weiter verbreiten.
Ein anderes Problem sind die Drogen: Marihuana und Cocain sind reichlich auf dem Markt, von den kolumbianischen Handelsschiffen eingeschmuggelt, werden sie vor Kontrollen über Bord geworfen und von Fischern gefunden. Diese verkaufen sie dann weiter, das bringt dann manchmal plötzlichen kurzzeitig viel Geld und in manchen Orten konsumieren die Jugendlichen die Drogen auch.

Um 8.00 warten wir dann nicht mehr auf die Impfstoffe, sondern fahren los, wir müssen ja noch bei Tageslicht zurücksein. Es geht nach Aidirgandi, 1,5 Stunden mit der Lancha mit 40 Ps Außenborder. Die Benzinpumpe ist kaputt, der Fahrer muss immer mit der Hand pumpen. Und Dr. Chen und der Zahnarzt kommen zum Fischen. Aber erfolglos, es schwimmen zu viele Algen im Wasser, die sich ständig im Haken verfangen.
Die Hinfahrt geht ja noch, es ist sehr bewegt, zum Glück wird mir nicht schlecht, das wäre mir auch zu peinlich gewesen.... Ich finde es schon beeindruckend wie sich die meisten freundlich vertraut unter den Regenjacken näher kommen. Eine reicht meist für 3, man lacht lehnt sich an, schläft an der Schulter des Kollegen. Die Zufahrt nach Aidirgandi ist nicht einfach, es geht erst an dem Ort vorbei, dann hinter einem Riff, parallel zur Küste zurück.. Alle Männer steigen aus der Lancha, schieben und ziehen sie mit uns Frauen über eine Sandbank. Angekommen wird unser ganzes Gepäck (Impfstoffe, Kanülen und Spritzen, eine Waage, ein Tisch, der klappbare Zahnarztstuhl, Papiere und Akten, Medikamente, unser Essen und Trinken, eine Bodenmatte etc. von allen an den Strand getragen und in dem für uns leergeräumten Klassenzimmer (die Schule fällt aus) aufgebaut. Die Schüler bekommen noch ihre tägliche Speisung (Trockenmilch und besondere Kekse) und sind begeistert, dass sie frühzeitig nach Hause gehen können.
Dann kommen die Patienten. Es sind überwiegend Kinder bis 5 Jahre. Sie werden gemessen gewogen, geimpft, von uns untersucht. So gut wie alle liegen unterhalb der Percentile (Wachstumskurve), die als Grenze für Unterernährung gilt. Ist das wirklich Unterernährung? Es sind keine Kuna spezifischen Kurven, sondern panamaische, auch die Eltern sind kleiner als die landesdurchschnittliche Bevölkerung. Andererseits liegen Größe und Gewicht bei der Geburt im Normbereich. Entsprechend diesen Wachstumskurven haben 91% der Kinder eine signifikante Unterernährung. Kaum zu glauben. Aber diese Diagnose sorgt dafür das alle das Nahrungssupplement "Cream" (diese mit Vitaminen und Mineralien angereicherte Trockenmilch) bekommen. Und vor allem deswegen sind sie eigentlich hier. Bis März oder April werden die monatlichen Arztbesuche wegen der hohen Wellen ausfallen müssen, in diesen Monaten bläst der Wind zu stark.. Die Dörfer sind von der Umwelt abgeschnitten. Im März sieht man dann wie viele Kinder diese Zeit nicht überlebt haben. Es sind immer einige der Kleinen in den ersten 2 Lebensjahren, die gestorben sind.
Auffallend ist, dass die Kunas auf der einen Seite zu den ärmsten Einwohnern Panamas gehören, die Kinder mangelernährt sind, aber die Frauen und oft auch die Kinder Goldschmuck. tragen. Aber das ist eben ein sehr wichtiges Zeichen um sich darzustellen, schön zu sein, der Tradition zu entsprechen.. Meist ist es der Name in Gold, über der Mola getragen, so dass jeder ihn lesen kann. Da ist dann der Goldschmuck wichtiger als das Essen für die Kinder. Sie sind die letzten die von dem Essen, dem Fisch bekommen. Erst der Vater, der hat ihn ja gefangen, muss hart körperlich arbeiten und die Familie versorgen, dann die Mutter, zuletzt die Kinder. Und wenn die nach 2 Bissen nicht mehr wollen, wird nicht lange überredet. Wie anders als in Deutschland....Wenn die Kinder dann allerdings erwachsen sind, haben sie kein Risiko Bluthochdruck, Diabetes oder einen Herzinfarkt zu bekommen, das ist hier unbekannt. Außer bei mangelernährten Kindern, die im Krankenhaus in Panama zu schnell auf ein zu hohes Gewicht gepäppelt wurden und außer bei Kunas, die in den Städten leben.
Als wir abfahren hat der Wind aufgefrischt, die Wellen deutlich zugenommen. Wir haben Schwierigkeiten uns und das Gepäck in die Lancha zu bekommen. Dr. C. meint, in Deutschland ist es leichter zu seinen Patienten zu kommen. Ja, aber das macht es hier doch aber auch so schön oder? Er meint er sei der einzige Arzt der es so sehe. Seit 20 Jahren besucht nur er dieses Dorf um die Menschen zu versorgen.
Nach 1,5 Stunden, nach anstrengender rauer Fahrt mit 2 Meter hohen Wellen, ständig auf der Hut vor den großen treibenden Baumstämmen kommen wir durchnässt und frierend an der Grete an. Ich werde nach hause gebracht und von einem gut gelaunten Team froh verabschiedet. Bis morgen.

3.Tag

Centro salud in Playon Chico

nachdem mich die anderen gestern mit der Lancha abgesetzt haben, fiel der Motor aus. Überhitzt. Durchnässt mussten sie auf der nächsten Insel frierend warten und heute hat Dr. Chen ganz schön geschnieft.
Als erstes habe ich ein junges Mädchen gesehen, die nachts einen gesunden Jungen geboren hatte. Im Raum saß auch eine alte Frau. Die Großmutter? Nein, eine Frau aus dem Ort, die sich mit Heilkräutern auskennt und Schwangere ab dem 6. Monat begleitet. Sie gibt die traditionelle Medizin, sie ist im Kreißsaal dabei, sie versorgt die Gebärende, wäscht sie etc. es ist ein gutes Beispiel wie völlig selbstverständlich die traditionelle Medizin auch in Kooperation mit dem Krankenhaus stattfindet. Und lange sind die Kreißenden nie da. Sie sind nicht gerne im Krankenhaus. Deshalb bleiben sie bis zur letzten Minute zu Hause, dann folgt noch der Fußweg und beim Eintreffen ist der Muttermund meist vollständig geöffnet. Am nächsten Tag gehen sie nach hause. Und bei der Geburt gibt es keinen Mucks, kein Weinen, Schreien oder Stöhnen, sie sind einfach nur still, aber in keiner Weise in ihrem Bewusstsein eingeschränkt oder müde. Diese Wirkung der traditionelle Behandlung aus Waschungen, Getränken, Gesängen und Rauch, finde ich unglaublich und beeindruckend!
Erst langsam trudelten die Patienten ein. Eigentlich wollten wir ja auch heute zu einer outpatient Klinik fahren, aber der Wind war zu stark. Vielleicht fahren wir morgen.
Schön waren die Kinder gekleidet, wenn sie sich bei uns vorstellten, in ihren besten Sachen und altersunabhängig sogar fast immer mit Schuhen.
Ein Neugeborenes hatte in 3 Wochen 100g abgenommen. Es wurde geschimpft und sehr deutlich gemacht das, wenn die Mutter nicht länger stillt, das Kind nicht aufweckt, wird es wahrscheinlich sterben, oder muss nach Panama City zur künstlichen Ernährung. Diese Art des Elterngesprächs finde ich schon sehr befremdlich.
Das andere Kind von knapp 2 Jahren war auch krank, immer wieder Lungenentzündungen, vielleicht Tuberkulose, schon 2x war es in Panama, 2 x wurde es beatmet, aber die Eltern haben nie die Tuberkulose Medikamente lange gegeben. Wieder wurde geschimpft und ich fand es so traurig, fast hätte ich geweint wie immer wieder ausgemalt wurde, dass sie, wenn sie nicht aufpassen, beide Kinder verlieren werden. Beide Kinder werden sterben.... vielleicht. Die Eltern waren still, bedrückt, haben sonst nichts gesagt oder keine Gefühle gezeigt. Was denken sie wohl? Trotz aller kulturellen Unterschiede, diese Art mit Eltern zu sprechen, ihnen Angst zu machen, sie zu bevormunden, kann ich kaum aushalten und finde ich auch hier in keiner Weise angemessen.
Wenn schwer kranke Patienten zur Behandlung nach Panama müssen, stellt sich mir die Frage: wer bezahlt den Flug? Die Eltern oder Patienten selbst. Wenn sie nicht zahlen können, können sie nicht ins Krankenhaus kommen. Nur in sehr selten Fällen kann eine Militärmaschine zur Abholung bestellt werden. Wer hat schon 80 USD für ein Retour Ticket? Und wenn sie da sind, geht es weiter: wo sollen sie wohnen, wovon das Essen bezahlen und wie finden sie die Klinik, nicht alle Kuna sprechen Spanisch, kennen sich aus, kennen die Busse, Panama City ist ein anderes Land, eine andere Welt. Und wie kommen sie von der Klinik zurück zum Flughafen? Eine Mutter hatte Geld für ein One way ticket. Schnell wurde ihr Kind wieder entlassen, noch nicht ganz gesund, die Betten sind knapp, viele Patienten warten im einzigen staatlichen Kinderkrankenhaus. Danach ist sie dann mit dem Kind 4 Tage lang durch Panama City geirrt hat auf der Straße gelebt und hat jemanden gesucht den sie kennt. 10 bekannte Personen hat sie getroffen, jeder hat ihr etwas gegeben, keiner hatte einen Schlafplatz oder Essen für sie. Dann hatte sie endlich das Geld für den Rückflug zusammen. In Panama City auf der Straße leben, nachts mit krankem Kind wenn man von den San Blas Inseln kommt - eine unvorstellbare Hölle.


4.Tag

Seit 2.30 heute Nacht waren wir beide meist wach, ständiges Gewitter , Regen, viel Wind, der Anker ist etwas geslippt, morgens war das Meer trübe und braun, Baumstämme schwammen zahlreich im Wasser. Bei diesem Wetter konnten wir unmöglich zu der outpatient Klinik fahren. Schade. Sollte ich so mit dem Dinghy zur Klinik fahren? Etwas unwohl war mir bei dem Gedanken ja schon. Der Wind war noch stark. Aber um 7.30 habe ich mich dann doch entschlossen, es bestand ja keine Aussicht auf Besserung. Ich wurde stark abgetrieben, konnte kaum Kurs halten, hatte Schwierigkeiten die Riffmarkierung zu finden, endlich bin ich aber heil angekommen.
Es fing wieder an wie aus Eimern zu schütten , alle haben sich untergestellt, nur ich bin im Regen über die völlig vermatschten gefluteten Wege gelaufen. In der Klinik wurde ich lachend begrüßt, habe mich umgezogen und erst mal barfuss um nicht alles matschig zu machen im Untersuchungszimmer mitgemacht. Wir saßen beide barfuss da. Obwohl Dr. C.. immer mit den Patienten schimpft wenn sie barfuss kommen also ohne Schuhe auf den Wegen laufen. Bei den vielen Hunden gibt es auch viele Wurmeier und Larven im Sand und entsprechend viele Kinder haben Hakenwürmer, larva migrans und eitrige Hautentzündungen. Weil die Eltern das schon gelernt haben, kommen die Kinder alle mit Schuhwerk, oft auch mit Socken. Die Füße sind meist noch sandig, die Schuhe eben erst angezogen und werden sicher auch sofort wieder ausgezogen, meistens passen sie gar nicht, sondern gehören jemand anderem.
Heute wieder das Gleiche, alle Patienten sind mangelernährt.
Dann stellt sich eine Lehrerin mit Diabetes vor. Sie bekommt orale Antidiabetika. Aber den Blutzucker kann man hier auf der Insel nicht kontrollieren. Für das Messgerät gibt es keine Teststreifen. Und Blut kann man mit dem Flugzeug nicht nach Panama City schicken. Niemand würde es abholen. Also müssen die Patienten selbst in die Stadt fliegen, wenn das Blut untersucht werde soll. Wenn sie privat versichert sind - und das ist keiner der Kuna auf den San Blas Inseln-, wird es noch am gleichen Tag untersucht, abends ist das Ergebnis da, wenn nicht, findet die Untersuchung eine Woche später statt, wann es das Ergebnis gibt weiß ich nicht...
Inzwischen kann auch hier wieder Blutzucker gemessen werden, denn eine gute Freundin aus Deutschland, auch Ärztin hat mir inzwischen für Playon Chico Blutzuckermessgeräte und Messstreifen geschickt.

Mittags regnet es immer noch stark. Regenzeit. Die Kinder laufen nackt und vergnügt im Regen. Was ich nett finde, sehen die Schwestern kritisch: morgen sind sie wieder krank, guck mal wie kalt ihnen ist. In der Regenzeit gibt es besonders viele Patienten mit Lungenentzündungen und Fieber.
Ich werde eingeladen in der Klinik Mittag zu essen, die Regierung bezahlt, wenn die Mitarbeiter schon fern von ihren Familien leben, kann die Regierung wenigstens Essen und Unterkunft stellen.
Schließlich lässt der Regen nach und ich mache mich wieder auf den Weg zum Dinghy. Das Wasser steht teilweise knöchelhoch. Brot gibt es nicht zu kaufen. Um den Ofen herum in der Hütte steht auch das Wasser. Alles ist nass. Auch ich muss erst mal reichlich Wasser schöpfen bevor ich zur Grete zurückfahre. Der Wind hat sich gelegt, kaum Wellen, das Wasser ist eine braune undurchsichtige Brühe mit viel Treibgut, das aus den Flüssen angeschwemmt wird.

5.Tag
der 3. Tag mit Dauerregen. Es regnet so stark, dass die Sicht deutlich eingeschränkt ist. So kann ich mit dem Dinghy nicht fahren. Also warte ich - nun bin ich schon so früh aufgestanden und kann nichts anderes tun als zu warten. Unglaublich welche Regenmassen auf einmal herunterkommen können. Als die Niederschläge etwas abnehmen -man kann wieder das Hotel sehen- beschließe ich zu fahren. Wir sammeln den Regen vom Sonnensegel, wenn man das Wasser auch nicht trinken sollte wegen der Imprägniermittel des Stoffes, so kann man es doch zum Waschen benutzen.
Natürlich bin ich durchnässt als ich im Ort ankomme. Ganz Playon Chico steht unter Wasser. Die Wege sind eher Kanäle, überall Matsch, das Wasser steht überall knöchelhoch - auch in den Hütten. Die Menschen haben keinen trockenen Zentimeter mehr - außer vielleicht in der Hängematte. Die Dächer sind oft dicht, von außen sieht man das Wasser in kleinen Bächen herunterlaufen und abperlen. Aber durch die Bambuswände kommt das Wasser und unter den Wänden durch und durch die Türen....Es ist ratsam von den Türen Abstand zu halten, denn die Menschen versuchen ihre Hütten leerzuschöpfen und da entleert sich schon mal ein Eimer unerwartet nach draußen..
Heute sehe ich auch kaum noch im Regen tobende Kinder , eigentlich ist außer mir keiner auf der Straße.
Entsprechend ist auch das Bild im Krankenhaus. Patienten sind keine da, niemand hat sich bei diesem Wetter auf den Weg gemacht.

Weil nichts zu tun ist, setzte ich mich mit den Schwestern zusammen und bitte sie mir etwas Kuna beizubringen. Das macht Spaß, ein Sprachengewirr: Deutsch, Englisch, Spanisch, Kuna. Jetzt kann ich beim Bäcker schon fließen fragen ob es Brot gibt ("Madu nika?") und die Mütter ob ihre Kinder Hautprobleme haben.
Das Krankenhaus wird mir langsam vertraut.

9.Tag

Subcentro de salud in Tupile, die Köchin in Arbeitsmola

6.30. Ich bin gerade mit Frühstücken und Anziehen fertig als es ruft. Ich werde mit der Lancha abgeholt. Es geht in die outpatient Klinik. Die Wellen sind höher als ich dachte, wieder sitzen alle zusammen, Wasser wird geschöpft, das Boot hat ein kleines Leck, Sr. Luz wird schnell seekrank. Dann erreichen wir den Ort - können wir das Ufer erreichen ?? Vielleicht. 2 Männer vom Dorf winken ab- Anlegen würde trotz der Wellen wohl gehen, aber der Wind und damit die Wellen werden zunehmen.. Wieder abzufahren wäre ausgeschlossen. Also winken wir und kehren um. Alles umsonst, auch die Seekrankheit der armen Schwester. Um 8.30 werde ich wieder an der Grete abgesetzt. Nach einem Frühstück mit Reinhart, noch mal ein Kaffee, fahre ich wieder zur Klinik. Eine Mutter fragt mich: Compra mola? Kaufst du Molas? - sie sagt sie braucht Geld für Essen, für das Kind.
Wir haben kein Trinkwasser mehr an Bord. Auch der Ort ist ohne Wasser, die Pipeline vom Fluss ist durch den Regen zerstört worden.

10.Tag

Subcentro de salud in Tupile, das Arztzimmer

Heute morgen soll es mal wieder zu einer outpatient Klinik gehen. Nach St. Ignatio de Tupile. Diese Klinik ist nicht so abgelegen, liegt auf einer Insel und wird 1x pro Woche besucht, das ganze Jahr über.
Als ich um 5.15 aufstehe ist es noch stockdunkel, es dämmert als ich mich an Deck in dem Eimer mit recht braunem sandigen Flusswasser wasche. In der Ferne sehe ich das erste Ulu (Einbaum). Frisch gewaschen, erfrischt und wach mit einer Tasse Kaffee in der Hand sehe ich die Sonne aufgehen. Eine wunderbare ruhige Stimmung. Es erinnert mich immer an lange Übersee Passagen, wenn ich um diese Zeit Wache ging und der Tag anbrach. Als ich im Ort ankomme ist es kurz vor halb sieben. Dem Regen bin ich davon gefahren. Ich binde das Boot an, und gehe durch den Ort zum Krankenhaus. Es ist eine ganz besondere Stimmung so früh. Alles ist so friedlich, die Sonne steht noch sehr tief, Schulkinder auf dem Weg zum College, andere ziehen sich im Hütteneingang gerade ihre Schuluniformen an, Frauen schöpfen Wasser, aus dem nassen Palmendach quillt dichter Rauch von dem in der Hütte brennenden Feuer der Kochstelle, Frauen fegen auf den Wegen das Laub zusammen mit Palmenwedeln, man grüßt sich, ich kenne die Menschen, es sind immer die gleichen vor ihren Häusern. Dies ist ein besonderes Erlebnis, so friedlich entspannt und ruhig habe ich den Ort noch nie erlebt. Im Krankenhaus werde ich freundlich vertraut begrüßt: "benuedi..."der Dr. ist noch oben. Im 1. Stock ist das Frühstück gerade beendet. Ich trinke noch eine 2. Tasse Kaffee Auch heute fahren wir nicht in die outpatient Klinik, was hat die Pläne geändert?- einiges und nichts, ....Ich bin umsonst so früh aufgestanden, erst mal sind keine Patienten da, bis es sich herumspricht, das wir doch im Ort sind. Aber es macht nichts. Ich sehe aus dem Fenster, die Hütten liegen in der dunstigen Luft, Rauch steigt auf, die Bäume glänzen vom Tau, es ist so friedlich.
Dann kommen die Patienten doch. Wieder unterernährt, heute besonders schlimm. Sie sehen ganz gut aus, aber sind viel zu klein, mit der Entwicklung zurück: 18 Monate, 6,8 kg. Kann nicht laufen, zieht sich nicht hoch. 4 Jahre, 12kg....sieht aus wie 2,5.J
Auch wenn es mir bei manchen Kindern schwer fällt zu glauben, dass sie unterernährt sind, obwohl die Kurven dies eindeutig sagen, ist es bei diesen Patienten auch für mich eindeutig. Und sie leben in der Gefahr bei dem nächsten schwereren Infekt zu sterben. Die Kindersterblichkeit ist zwar zurückgegangen, trotzdem sterben hier viele kleine Kinder.
Sie werden nicht auf dem Friedhof begraben, sondern zu hause. Sie haben noch keine eigene Hängematte . Erwachsene hängen in ihren Gräbern mit ihrem ganzen Besitz. Die Säuglinge aber werden zu hause in der Hütte unter der Hängematte ihrer Mutter begraben....


11.Tag
Heute soll es nun endlich nach St. Ignatio de Tupile gehen. Aber wir müssen noch auf das Flugzeug warten, es hat Post an Bord, die wichtig ist und mitgenommen werden muss.
Es ist ein Brief mit der Anweisung des Gesundheitsministers anlässlich des Muttertages am 8.12. für alle Kuna Mütter alle Untersuchungen und Behandlungen am 7.12. als Geschenk gratis vor zunehmen. Das wird sich wohl kaum eine Mutter entgehen lassen. Bei 2000 Einwohnern in Playon Chico. werden das einige 100 sein. Wie soll das zu bewältigen sein, wo soll das benötigte Personal und die Materialien und Medikamente herkommen? Dr.C. schimpft, es scheint eine undurchdachte politische Entscheidung zu sein.

Subcentro de salud in Tupile, das Wartezimmer

Dann geht es los, in 45 Minuten -eine schöne ruhige Fahrt nach Tupile- wird wieder kein Fisch gefangen.
Diesmal sehen wir viele kranke -sterbenskranke - Kinder: Lungenentzündung, schwere Unterernährung, hohes Fieber mit Gewichtsverlust, Verdacht auf Herzfehler. Ein Kind mit Pneumonie wird im Ulu nach Ailigandi verlegt. Dort ist die größte Klinik mit 4 Ärzten. Aber als der Patient ankommt ist kein Arzt da. Abends soll einer wiederkommen. Hoffentlich überlebt der Patient so lange. Das Mädchen mit der Unterernährung nehmen wir später mit zu uns nach Playon Chico.
Auch der Sahila kommt als Patient, er hat Schmerzen im Fuß. Der traditionelle Heiler meinte er müsste auf eine Schlangenhaut in den Bergen getreten sein, als er im letzten Jahr schon einmal das Gleiche hatte, aber das hat er nicht bemerkt. Beeindruckend ist: Er ist genauso arm gekleidet wie alle anderen, lebt genauso, wirkt nicht anders und ist doch der Chef von allen. Ihm werde ich vorgestellt, er muss nicht warten, für ihn ist auch die Behandlung frei, er ist eben der Sahila.

Subcentro de salud in Tupile, der Kreißsaal

Ein anderer Patient ist schon 78 Jahre alt, ist gut bekannt. Vor Jahren wurde ihm schon ein Basaliom (Hauttumor) an der Nase operiert. Alles ist gut verheilt. Hautkrebs ist hier sehr häufig. Er kommt, weil er sich oft schlapp fühlt, sieht viel jünger aus, hat fast keine grauen Haare, geht noch arbeiten, ist mit dem Ulu unterwegs. Solange alte Menschen noch irgendetwas arbeiten können, werden sie wegen ihrer Lebenserfahrung hoch geschätzt in der Gemeinschaft.
Ein Mädchen ist schwanger und erst 15 Jahre alt. Sehr häufig werden junge Mädchen schwanger. Über Verhütung wird in der Schule wenn überhaupt erst nach der 6. Klasse gesprochen. Und dann sind viele Kindern schon von der Schule abgegangen.

Subcentro de salud in Tupile, Krankenzimmer

Wenn der Freund die zukünftige Mutter heiratet (nicht offiziell juristisch, sondern traditionell) ist alles in Ordnung, wenn nicht und die Schwangere noch unter 16 ist, muss der Mann eine Strafe von 50 USD zahlen. Viel Geld. Aber das Geld bekommt die zukünftige Mutter nicht wie man meinen sollte als Unterstützung, diese Strafe geht an die Gemeinde.
Wir essen in der Klinik, wandern danach etwas durch den Ort. Sr. Gina wohnt hier, wir bekommen eine Tasse selbstgemachten Kakao. Ein interessanter langer Tag. Erst um 17.00 sind wir wieder in der Klinik.


13.Tag
Es regnet, nicht so stark, aber immerhin so viel, dass ich wieder Wasserschöpfen muss im Dinghy. Das dauert dann alles viel länger als ich dachte und ich bin erst um 7.30 im Krankenhaus.
Aber als ich mich endschuldige, heißt es: macht nichts, die Patienten kommen jetzt auch erst langsam. Bei Regen lassen alle auf sich warten, keiner mag so recht nach draußen. Bei Regen kann ich gerne später kommen. Bei Regen geht alles langsamer.
So kommt auch erst gegen Mittag ein 43 Jahre alter Mann mit hohem Fieber. Seit 3 Tagen geht das schon so. Ohne weitere Untersuchungen wird er mit Verdacht auf Malaria zum Labor geschickt. Er war zum Fischen in einem der großen Flüsse. Dort gibt es - wenn auch im Moment nur sehr selten - Malaria. Der Ausstrich ist positiv, aber nun wird. mit Entsetzen festgestellt, dass die Medikamente für Malaria nicht vorrätig sind. Es soll ein Boot nach Ailigandi ins Krankenhaus geschickt werden, um zu fragen, ob sie die Tabletten in ihrer Apotheke haben. Anrufen geht nicht, denn das Funktelefon, das noch vor einigen Monaten die Krankenhäuser miteinander verband, ist defekt, wird so schnell auch nicht wieder repariert und in Ailigandi ist das öffentliche Telefon im Moment auch nicht betriebsbereit. Hoffentlich macht das Boot die 1,5 Stunden lange Strecke nicht umsonst. Als ich mich später erkundige erfahre ich, dass der Patient dorthin verlegt wurde. Er war kurze Zeit später wiedergekommen, es ging ihm plötzlich bedrohlich schlecht. Einige Tage später wird er in der Klinik versterben. Trotz Behandlung.
Eine Mutter kommt mit ihren mangelernährten Kindern. Von ihr heißt es, sie verkaufe die Trockenmilch, die kostenlos an die unterernährten Kinder verteilt wird für 25 cent das Pfund - aber natürlich streitet sie das ab.- Ob es wohl stimmt?
Nachmittags komme ich noch einmal wieder um Wasser zu holen und ich stelle fest, dass ich mich im Centro Salud schon recht zu hause und ganz dazugehörig fühle.

17.Tag
Weltweit steht San Blas an 3. Stelle der Schwangeren-Sterberate. Das wird nur von 2 Orten in Afrika übertroffen. Das liegt daran, dass es nur in 18 Gemeinden von 52 ein Krankenhaus oder eine Ambulanz gibt. Die anderen Orte werden nur sporadisch (wöchentlich bis monatlich) besucht, zum Teil in den Monaten mit Starkwind (Dezember bis März) gar nicht, dann sind sie völlig von der Welt abgeschnitten. In dieser Situation sind im letzten Jahr in Ukupa 2 Schwangere (Mutter und Tochter) an Malaria verstorben!
2 Kinder waren bis gestern stationär aufgenommen, das eine nahm kein Gewicht zu, war trotz eines Alters von über 1 Jahr nicht gewohnt etwas anderes als Muttermilch zu sich zu nehmen.. Die Versuche es hier an andere Nahrung zu gewöhnen und vom Löffel essen zu lassen, waren nicht sehr erfolgreich, das Gewicht stagnierte. Und gestern sind sie einfach gegangen ohne bescheid zu sagen, das Zimmer war irgendwann leer.
Das andere Kind aus Tupile ist sehr krank, es soll nach Panama verlegt werden, die Eltern hatten kein Geld, aber irgendwie wollte das Krankenhaus die Kosten übernehmen. Die Situation war wirklich bedrohlich. Aber der traditionelle Heiler hat versprochen das Kind in einer Woche gesund zu machen (auch diese Behandlung ist teuer), so sind die Eltern gegangen...ob das Kind wohl wieder gesund wird?
In Panama sollen 2 Mütter von den San Blas Inseln im Gefängnis sein, deren Kinder an Unterernährung gestorben sind, die trotz Aufforderung ihre Kinder in der dann schließlich bedrohlichen Situation nicht ins Krankenhaus gebracht haben. Dr. Chen hofft auf eine abschreckende Wirkung, solcher Maßnahmen. Ich frage mich wie sinnvoll so etwas ist. Hat man das Recht dazu, den Kuna Indianern unsere westliche Sichtweise aufzuzwingen?
Es gibt eine Organisation, die spezielle Einrichtungen zur kostenlosen Behandlung von mangelernährten Kindern hat .Die Kehrseite der Medaille ist, dass diese Kliniken in Panama City sind und die Kinder in der Zeit der Behandlung, die oft bis zu 6 Monaten oder sogar einem Jahr dauern kann von ihren Eltern und Geschwistern getrennt sind. Und Geld um zwischendurch mal zu besuch zu kommen hat sicher keiner. Kommen sie zurück, haben sie zwar ein normales Gewicht, wirken aber oft völlig verstört.


3.3.05, der vorletzte Tag
nach einer Pause sind wir nun schon wieder seit einiger Zeit in Playon Chico. Es hat sich einiges geändert. Die Regenzeit ist vorbei, vergessen sind die Zeiten mit Dauerregen und Gewitter. Inzwischen wurde an einem Tag eine große Menge Kokain angeschwemmt, viele Fischer sind "fündig" geworden. Es macht sich bemerkbar an der besseren Kleidung, den größeren Goldketten, daran, dass viele Häuser neu gebaut wurden und in den letzten Wochen 18 Außenbordmotoren für Einbäume gekauft wurden. Einige Kinder, die aus Familien kommen, in denen der Geldsegen besonders reichlich war, haben auch deutlich an Gewicht zu genommen.
Ich bin gerne hier in Playon Chico, in der Klinik fühle ich mich sehr freundlich aufgenommen, im Ort kenne ich schon viele Menschen und es ergibt sich ab und zu ein Gespräch, es ist mir hier alles sehr vertraut geworden und ich bin entspannt.
In der Klinik ist es noch immer meist das Gleiche. Heute habe ich schon wieder einen Jungen gesehen, der 3,5 Jahre alt ist, nur 9 kg wiegt und 78 cm groß ist. Diese Gewicht hat in Deutschland ein Kind mit ungefähr 1 Jahr!!
Als ich mich nach einem Kind erkundige, dass mit besonders schwere Unterernährung nach Panama verlegt worden ist, erfahre ich, dass es dort nach 10 Tagen in der Klinik verstorben ist. Jetzt versuchen die Angehörigen, dass der Leichnam des Mädchens wenigstens im Heimatort der Tradition entsprechend beerdigt werden kann. Aber dazu wird es wohl nicht kommen, denn wer sollte die 200 USD für die Überführung zahlen?
Ich werde übermorgen hier schweren Herzens abfahren, denn mir gefällt es hier gut und ich habe sehr gerne wieder in meinem Beruf gearbeitet.
Auf der anderen Seite trägt diese Arbeit, die natürlich verbunden ist mit geregelten Arbeitszeiten und Verpflichtungen, auch dazu bei, die Freiheit unseres Lebens, das durchaus auch arbeitsreich ist, aber sehr selbstbestimmt und relativ zwanglos nicht als selbstverständlich zu sehen und wertzuschätzen!
Und vielleicht kommen wir ja noch einmal wieder, das ist noch nicht entschieden. Erst mal werden wir jedenfalls im Mai nach Deutschland fliegen, um Freunde und Familie zu besuchen. Wie es danach weiter geht wissen wir noch nicht..

Katrin

Woher die Kuna kommen

Doc-Version

"Nuedi", guten Tag. Priciliano stand an den Stamm einer Palme gelehnt, drückte sich jetzt mit der Schulter ab und kam mir entgegen. "Benuedi", wie geht es dir, antwortete ich und zog mein Dinghy den Strand hinauf. Wir schüttelten uns die Hände und begannen ein Gespräch über das übliche Woher und Wohin. Priciliano war auf Mormaketupo zu Hause, einer Insel etwa 15 sm westlich von hier, von Ordupbanedup, der Insel, auf der Katrin und ich vor knapp einem Jahr geheiratet hatten und vor deren Strand wir unseren Anker in das glasklare Wasser hatten fallen lassen. Er erzählte mir, dass er zur Zeit allein unterwegs sei, dass seine Frau Adelaida mit ihrer gemeinsamen Tochter Delaida auf Ukupseni weilte, weil Delaida dort die Schule besuchte; 26 sm weiter östlich. Und so plätscherte unsere Unterhaltung dahin. Wir sprachen vom Wetter, das in diesem Jahr nicht der Norm entsprach. Jetzt, im Februar - der eigentlichen Trockenzeit - hatte es fasst täglich geregnet, während der vergangene Oktober - einer der regenreichsten Monate - niederschlagsfrei geblieben war.
Unser Blick ging hinüber nach Esnatupile, einer kleinen Insel kaum zweihundert Meter westlich von uns, zwischen deren Palmenstämmen das letzte Rot der untergehenden Sonne schimmerte.
"Sag mir, Priciliano, woher kommt dein Volk, das Volk der Kuna"? stellte ich die Frage, die ich schon lange hatte stellen wollen.
"Von weit her, aus Kolumbien, aus der Sierra Nevada de Santa Marta" kam seine Antwort - eher zögerlich. "Aber das ist lange her", fügte er hinzu. Und nach einer Pause -während der sein Blick erneut zum Rot des Abendhimmels wanderte - fügte er leise hinzu: "Das ist alles sehr lange her, mehrere hundert Jahre und was davor war, darüber berichten unsere Alten und die Gesänge der Caziquen, der großen Häuptlinge, und die kundigen Sailas, die Stammesoberhäupter. Willst du es hören"?
"Si - ja, gerne" gab ich zur Antwort und blickte ihn erwartungsvoll an.
"Dann lass uns dort hinüber gehen", er deutete auf den Stamm einer umgestürzten Palme, auf dem wir uns jetzt nieder ließen.
Und dann erzählte er mir die Geschichte von der Entstehung der Welt und dem Volk der Kuna, während die Nacht langsam vom Osten herauf zog.

"Bab Dummad - der große Vater - ist der Erschaffer des Universums; er schuf auch Nan Dummad, - die große Mutter - und die Erde ist ihr Leib und er nahm sie sich zur Frau und mit ihr zeugte er alle Pflanzen, Tiere und Menschen. - Siehst du" unterbrach er seine Geschichte, "so sind also wir, die Kuna, ein Teil der Natur. Und das bedeutet, dass wir, wenn wir der Natur weh tun, wir uns selbst weh tun und deshalb müssen wir sie schützen, um uns zu schützen." Dann fuhr er fort: "Zusammen dachten der große Vater und die große Mutter über die Zukunft nach - und es gab kein Ende ihrer Gedanken; und zusammen planten sie die Ankunft der goldenen Menschen: der Kuna.
Am Beginn aller Zeiten war alles Geist und alle Kreaturen, welche dem Leib Mutter Erdes entsprangen, bekamen Namen und wurden über ihre Pflichten unterrichtet. Die Medizinpflanzen wurden darin unterwiesen, wie sie Krankheiten heilen sollten; bestimmte Tiere, wie z.B. die Peckaries, die Tapire und viele andere wurden unterrichtet, dass sie den Kuna als Nahrung zu dienen hätten; und die Bäume des Waldes hätten als Bauholz zum Bau der Hütten bereit zu sein. All dies geschah um die Ankunft der Kuna vorzubereiten. Mutter Erde gebar dann Muu, die himmlische Großmutter und Hebamme, die ihrerseits die Tiere und Menschen gebar. Ebenso schuf Mutter Erde zwei himmlische Wesen reinen Geistes, Olobengikiler und Olokekebyai, welche die Erde mit Pflanzen versorgten und weitere himmlische Geister schufen, welche für das gute funktionieren der lebenden Materie Sorge zu tragen hatten. Die Mutter war bei ihrem Erscheinen nackt, überzog sich dann aber mit Vegetation - ihrem grünen Kleid. Ihr Körper war weich wie der eines neugeborenen Babys, sie lebte allein und kümmerte sich um alles, was sie erschaffen hatte: Die Erde war ein Paradies. Es gab kein Elend, kein Leid und keine Krankheiten. Es gab weder stechende Insekten, noch giftige Tiere; die Pflanzen hatte keine Dornen und die Bäume mit essbaren Früchten produzierten alle vier Tage aufs Neue. Wann immer Nan Dummad Wild essen wollte, brauchte sie nur zu sagen: "Ich möchte Peckarie", oder "Ich möchte Tapir" und schon kam das entsprechende Wild in ihren Patio wo sie es mit der Machete tötete, säuberte und über dem Feuer briet. Die Geister der Krankheiten waren unbekannt und es gab keinen Tod.
Über allem schien die Sonne segensreich und ihre Strahlen waren so mild, wie die des Mondes".

Priciliano schwieg für einen Moment; es war inzwischen dunkel geworden. Dann erhob er sich, ging einige Schritte in Richtung auf die hinter uns stehenden Palmen zu und entzündete mit wenigen, geschickten Handgriffen ein zuvor vorbereitetes Feuer. Priciliano hatte zwischen zwei nah beieinander stehenden Palmen seine Hängematte aufgespannt. Dahinter, als Schutz gegen den Wind, hatte er aus Palmwedeln eine kleine Schutzwand gebaut. Hier wollte er heute Nacht schlafen, bevor er morgen den weiten Weg zurück nach Mormaketupu in seinem Ulu, seinem Einbaum, antreten wollte. Als das Feuer brannte, legte er noch einige trockene Kokosnussschalen hinein, die uns schon bald mit einer leichten Rauchwolke einhüllten und so die lästigen Sandfliegen fernhielten.

"Aber leider blieb es nicht immer so", setzte er seine Erzählung fort. "Schon bald kamen die ersten Menschen. Ein Mann namens Biler und seine Frau Bursobi erschienen auf der Erde und sie hatten fünf Söhne; jeder einzelne ein mächtiger Schamane. Diese wiederum hatten Nachkommen, die waren halb Mensch, halb Tier. So gab es z.B. den Jaguarmann, den Tapirmann und den roten Brüllaffenmann. Sie hatten das Verhalten von Tieren angenommen; der Jaguarmann war grausam, der Tapirmann hatte einen dicken Bauch und suhlte sich im Schlamm, während der rote Brüllaffenmann den Frauen nachstellte. Einer der Söhne von Biler und Bursobi war ein ansteckender Geist; er brachte Lähmung, Verkrüppelung, Tumore und Gelbfiber. Ein anderer Sohn von ihnen war der Vater der Erkältung und wieder ein anderer schuf den Sturm. Und so veränderte sich durch die Tiermenschen das Leben auf der Erde fundamental. Korruption und Kriminalität griffen um sich, Krankheiten breiteten sich aus und auch Mutter Erde veränderte sich. Sie wurde hart wie das Herz eines Baumes, die Säfte der Pflanzen wurden bitter und die Pflanzen bekamen Dornen. Stechende Insekten waren überall. Die Tiere des Waldes wurden wild und gefährlich, die Flüsse verwandelten sich in der Regenzeit zu reißenden Strömen und die Strahlen der Sonne verbrannten die Haut. Aus der beschützenden Natur wurde eine wilde, dem Menschen gefährliche Natur.
Bab Dummad - der große Vater - sah all dies mit Sorge und er schickte wiederholt gute Männer auf die Erde, welche die schlechten Menschen wieder auf den Pfad der Tugend zurück bringen sollten. Diese Missionare reisten weit über die Erde und sprachen und sangen in allen Kommunen der Erde und warnten vor dem Zorn des großen Vaters, wenn sie nicht ihr Leben ändern würden. Aber die Menschen hörten nicht auf die Missionare und besuchten auch nicht mehr die abendlichen Versammlungen im Versammlungshaus. Und so kam der große Vater zu dem Schluss, dass das Verhalten der Menschen nicht durch Überzeugungsarbeit zu ändern sei und er sandte Wirbelstürme und Erdbeben um die Menschen zu strafen. Er ließ die Oberfläche der Erde sich umdrehen und Alles und Jedes wurde in die vierte Ebene des Kosmos verbannt, wo es bis zum heutigen Tag als Geist verblieben ist.
Und wieder wurde die Erde mit Menschen bevölkert und der Lauf der Dinge wiederholte sich. So sandte Bab Dummad einen Mann namens Mago zur Erde um den Menschen den "Weg des Vaters" zu zeigen und Mago wanderte wie seine Vorgänger durchs Land und predigte den rechten Weg. Mago nahm sich eine Frau und hatte drei Kinder, darunter ein Zwilligspärchen. Einen Jungen namens Olonitalibipilele und ein Mädchen, dass sie Kabayai nannten. Diese beiden wurden ein Paar und sie hatten acht Kinder. Das erste war Dad Ibe, die Sonne und weitere sechs Brüder und eine Schwester wurden alle zu Sternen. Zu dieser Zeit war die Erde ein Sündenpfuhl; Krankheiten waren weitverbreitet und es gab Fledermäuse so groß wie Pelikane und es gab keine Medizin um die ansteckenden Krankheiten zu bekämpfen. So nahmen Dad Ibe und seine Geschwister es auf sich diesen Übelstand zu bekämpfen. Der große Vater war ihnen dabei behilflich indem er ihnen gute Gesänge sandte und Träume, in denen er ihnen erzählte, wie die Heilpflanzen anzuwenden seien, um die Krankheiten zu bekämpfen. Und sie lernten von den Medizinen selbst und derem Geist. Zu Zeiten begab sich Dad Ibe auch direkt z.B. zu einer Schlange um sie zu fragen welches Gegengift es gegen das ihre gäbe und die Schlange erzählte es ihm. Und Dad Ibe zeigte sich auch gegenüber den Geistern für ihre Informationen erkenntlich indem er ihnen gab, was sie am meisten schätzten:
Ein berauschendes Getränk aus Chilipfeffer, Tabak und Barbasco. Auch bediente er sich der Töchter der Geister in dem er ihnen den Hof machte um an die Geheimnisse der Väter zu gelangen. Und so lernten Dad Ibe und seine Geschwister alle Medizin und alle heilenden Gesänge - und so gerüstet bekämpften sie die Übel der Erde und die bösen Geister bis diese nur noch ein Schatten ihrer selbst waren. Und als sie so ihre Mission beendet sahen, zogen sie sich in den Himmel zurück".

Wieder unterbrach Priciliano seine Geschichte; sein Kehle war vom langen Erzählen ausgetrocknet. Ich ging zum Dinghy und holte aus der Kühltasche zwei Bier, aber Priciliano trinkt selten Alkohol und so lehnte er dankend ab, griff sich die Machete und köpfte mit wenigen, gekonnten Hieben eine Kokosnuss, die er auch mir zu kosten anbot. Und dann fuhr er in seiner Erzählung fort:

"Aber die Geschichte wiederholte sich. Vier Mal war die Erde bevölkert und vier Mal wurde diese vernichtet. Zuerst durch Sturm, dann durch Feuer, ein drittes Mal durch Dunkelheit und zuletzt durch eine große Flut. Als sich das Wasser der großen Flut zurückzog erschienen Menschen auf der Erde, die den heutigen Kuna ähnlich waren. Aber sie gingen halbnackt und hatten keine Kultur, sie kannten keine Zeremonien und achteten nicht die Verwandtschaft und sie hinterließen ihre Exkremente zur Verrottung nahe ihrer Dörfer. Wenig später kam ein Mann namens Ibeorgun und seine Schwester Olokikadiryai um unter diesem Volk zu leben und ihnen zu zeigen, wie man richtig lebt. Vieles von dem was sie die Kuna lehrten bestand aus dem Wissen von Dad Ibe und seinen Geschwistern und aus dem Wissen der grauen Vorzeit. Ibeorgun war ein Gandule, ein Mann, der um die Gesänge weiß, die bei Pubertätsriten gesungen werden. Er war goldgewandet und mit Adlerfedern geschmückt. Er lehrte die Menschen die Rieten für Pubertät, Geburt und Tod. Er reiste von Dorf zu Dorf und zeigte den Leuten wie sie Versammlungshäuser bauen sollten und welche Gesänge wichtig waren. Und er unterrichtete sie in den Formen guter Kommunikation. Olokikadiryai kam voll bekleidet mit einem goldenen Ring in der Nase, mit silbernen und goldenen Halsbändern, gelben Arm- und Beinreifen aus Fruchtsamen, einem Rock und einem Kopftuch, sowie einer Molabluse. Sie zeigte den Frauen die Herstellung der Kleidung und wie man sie zu tragen hatte; zeigte ihnen die Herstellung von Hängematten und die Fertigung von Tongefäßen; unterwies sie in der Herstellung von Speisen und Getränken und zeigte ihnen, wie man Kinder großzieht.
Als sie ihre Mission vollendet hatten, verschwanden sie und an ihrer Stelle erschienen neun mächtige Schamanen um ihr Werk fortzuführen. Es geschah zu dieser Zeit, dass weißhäutige Fremde aus einem Land, welches man Yurub nennt, von jenseits des großen Wassers kamen, um an der Küste Kuna Yalas zu landen".

Lange noch saßen wir um das langsam nieder brennende Feuer und hingen schweigend unseren Gedanken nach.
"Nuedi", gute Nacht und danke, dieses Wort hat viele Bedeutungen.
Priciliano hob die Hand zum Gruß und ohne ein weiteres Wort stieg ich in mein Dighy und setzte zur "Grete" über, wo Katrin schon lange auf mich wartete.
Reinhart

 

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