Bei der Atlantiküberquerung

 

 

 

Reisetagebuch

Dieses Tagebuch wird von erfreulich vielen Menschen verfolgt, auch sehr vielen, die Katrin und Reinhart noch nie gesehen haben. Dies freut uns (auch den Webmaster) sehr. Wir wollen daher speziell diese Tagebuchseiten in ihrer Funktionalität verbessern.

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Da die Tagebucheinträge doch sehr unregelmäßig erscheinen und viele Leute wohl so immer wieder vergeblich nach einem neuen Beitrag schauen, wird es ab jetzt eine Mailing-list geben. Jeder, der per email benachrichtigt werden möchte, sobald ein neuer Tagebuchbericht erschienen ist, sende bitte eine email an den Webmaster R. Hamann. Die Adresse ist grete@reinhard-hamann.de.Persönliche Nachrichten bitte direkt an Katrin und Reinhart an folgende email: k.hennings@gmx.net

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Neben jeden Bericht stellen wir ihn auch noch als Worddokument zum herunterladen (allerdings ohne Fotos!) Viele drucken sich die Berichte aus.

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Desweiteren werden bei künftigen Einträgen Sprungmarken zum Beginn des jeweils folgenden und des vorausgehenden Berichts eingebaut. An den Anfang dieser Seite stellen wir eine Liste der Berichte, die darunter erscheinen, sodaß jede/r schneller an den Punkt gelangen kann, wo er/sie zuletzt war. Wir hoffen, damit das Lesen zu erleichtern.Die neuesten Berichte werden weiterhin immer am Anfang stehen.

Vom 15.9.2003

Bonaire

Vom 21.7.2003

Von Roques nach Bonaire

Vom 26.6. 2003

Islas Los Roques - Venezuela

 

Die Fischer von La Blanquvilla

 

 

Ältere und neuere Tagebuchberichte:

Bitte zum Ende gehen.

Bonaire

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Windschiefer Baum vor Kakteenzaun

Jetzt sind wir schon seit genau 2 Monaten auf Bonaire. So lange sind wir noch nirgendwo geblieben und so lange hatten wir auch gar nicht vorgehabt hier auf den niederländischen Antillen zu verweilen.
Aber schon nach kurzem Aufenthalt haben Reinhart und ich unabhängig voneinander festgestellt: hier gefällt es uns!!!

Salzberge im Süden von Bonaire

Dies ist der erste Ort an dem wir uns auch vorstellen könnten ganz zu bleiben (haben wir aber nicht vor!). Es ist nicht so einfach zu erklären, warum wir uns hier so wohl fühlen und nicht alle unsere Gäste teilen da unsere Begeisterung. An Land ist es eine Mischung aus Internationalität, Toleranz, Vielsprachigkeit (die meisten Menschen hier sprechen 4 Sprachen: Papiemento, Holländisch, Englisch und Spanisch) gepaart mit karibischer Atmosphäre (und Langsamkeit, besonders wenn es um behördliches oder Ersatzteilbestellungen geht). Die Insel ist klein, überschaubar, fast ein wenig provinziell. Wir fühlen uns sicher und so entspannt wie schon lange nicht mehr. Die Menschen grüßen freundlich, sogar aus den vorbeifahrenden Wagen, schnell machen wir Bekanntschaften, auf der Strasse, beim Einkaufen bleibt man stehen, klönt ein wenig. Ich nehme seit der ersten Woche an einem Spanischkurs im venezolanischen Kulturinstitut teil und wir waren zu einer Hochzeit am Strand eingeladen -super romantisch vor der untergehenden Sonne- Brautpaar und Gäste in schicker Kleidung aber barfuss im Sand. Als das frischvermählte Paar -Anja und Jorge- zur Hochzeitsreise abreiste, haben wir ihren Pick-up benutzen dürfen. Das Gefühl sich zu hause zu fühlen war schon nach kurzer Zeit da.

Neugierige Leguane

Und das hatten wir beide schon lange nicht mehr, haben es auch manchmal vermisst und müssen zugeben, dass uns in der letzten Zeit schon auch für kurze Momente das Heimweh gepackt hat: nach Familie, Freunden (wie sehr haben wir uns da den Besuch von meiner Schwester und von Iris genossen) und unserer Wohnung in der Waldstraße mit dem schönen Garten. So haben wir dann hier auch die örtliche Gärtnerei besucht und beschlossen die Grete etwas zu begrünen. Aloe Vera (zur Behandlung von Verletzungen), Basilikum (natürlich zum Kochen) und einen großen Jasmin (er hatte so wunderschön schwer und süßlich duftende Blüten) haben ihren Platz an Bord gefunden.

Iris und Katrin bestaunen Korallen


 

 

 

 

 

 

 

Washington Slagbaai National Park

Sehr viel Grünes findet man ansonsten außer in wenigen intensiv bewässerten Gärten auf der Insel nicht, ganz im Gegenteil. Im Norden, im Washington Slagbaai National Park finden sich noch Akazien und Kakteen, im Süden wächst dann außer einigen Flechten gar nichts mehr. Dafür gibt es dort riesige Salzpfannen, mit leuchtend roten Flamingos und weiße im gleißenden Licht hell strahlende dicht aneinander gereihte Salzberge. Immer wieder kommt die Erinnerung an einen strahlenden Wintertag mit ungeheuren Schneemassen auf, nur die Temperaturen mit ca. 30°C passen einfach nicht.

Das wahrhaft Sensationelle dieser Insel liegt aber unter dem glasklaren Wasser verborgen (wir können noch den Meeresgrund in 8m Tiefe von Bord aus deutlich in allen Einzelheiten sehen)!!!

Beim Tauchen

Und um das gründlich erkunden zu können, haben Reinhart und ich hier unseren Padi open water diver (Tauchschein) gemacht. Am Anfang fand ich den Unterricht nicht so sehr entspannt: mit dem Mundstück unter Wasser zu atmen, selbst im nur hüfttiefen Wasser hat bei mir unerwartete Ängste ausgelöst. Ich glaubte nicht genug Luft zu bekommen und sofort auftauchen zu müssen. Aber weil Anja unsere Tauchlehrerin es verstand darauf einzugehen und mir die nötige Zeit zu geben, und gleich am ersten Tag mit uns einen kleinen Tauchausflug machte, bei dem sie mich an die Hand nahm und ablenkte indem sie uns die schönen Fische zeigte, fand ich nach und nach Gefallen am Tauchen, die Angst verschwand und wich einem Gefühl der Entspannung. Jetzt bin ich völlig begeistert und möchte am liebsten jeden Tag wieder abtauchen. Es ist die wunderschöne Natur mit den bunten Korallen, Schwämmen und Fischen (Grunzer und Grouper, Snapper, Papageienfische, Rochen, Muränen, Trompetenfische....) und das einzigartige Gefühl der Schwerelosigkeit wenn ich im Wasser schwebe um diese faszinierende Unterwasserwelt zu bestaunen.

Tauchen von Bord der Grete

Besonders spannend war unser erster Nachttauchgang bei Vollmond. Das Mondlicht reichte aus, die Lampe brauchten wir fast gar nicht. - Unheimlich, aufregend und sehr, sehr schön.
Manchmal kommen wir uns wie in einem Märchen vor, als wenn wir über einen verschneiten Zauberwald fliegen, gleich müsste noch ein verwunschenes Schloss auftauchen...aber nein, kein Schloss sondern das Wrack des gesunkenen Frachters Hilma Hocker liegt vor uns. Die Namen der Tauchstellen entsprechen diesem Eindruck: Alice in Wonderland, Atlantis, Sweet Dreams, Angel City...

Tauchen vom Strand

Und weil wir so begeistert sind, haben wir uns eine Tauchausrüstung und einen Kompressor gekauft und die Grete zur Tauchbasis ausgebaut. Schon im nächsten Monat erwarten wir unsere ersten Tauchgäste.

Von Roques nach Bonaire

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Expedition ins Vogelparadies

Vor wenigen Tagen sind wir auf Bonaire angekommen. Die Zivilisation hat uns wieder. Bevor ich diesen Bericht an unseren Webmaster nach Hamburg schicke, möchte ich noch die letzten Stationen auf unserer Reise durch die venezolanische Inselwelt nachtragen.
Auf den Roques sind wir noch vor zwei weiteren Inselchen für jeweils ein paar Tage vor Anker gegangen. Die Schnorchelmöglichkeiten waren einfach fabelhaft. Dann ging es weiter zu den Vogelinseln. (Islas las Aves). Zuerst nach den Aves de Barlovento = Über dem Winde, dann zu den Aves de Sotavento = Unter dem Winde. Auf den ersteren fanden wir eine Vogelwelt vor, die ihres gleichen sucht. Die südlichste Insel ist ungefähr 10 km lang und
500 Meter breit. Komplett mit Mangroven bewachsen, die bis zu 12 Meter hoch sind und durchzogen mit einem Gewirr an kleinen, sehr flachen Lagunen, kann man kaum einen Quadratmeter ohne Vogel ausmachen.

Vögel, wohin man blickt

Hauptsächlich sind es Rotfußtölpel, daneben aber auch Fregattvögel, Pelikane, Möwen und vieles andere. Innerhalb der Mangroven verhalten sie sich verhältnismäßig ruhig, da die meisten brüten, aber in der Luft - die ebenfalls voller Vögel ist - herrscht ein ewiges Geschrei. Wir haben viele Stunden in diesen Lagunen verbracht und die Vögel beobachtet. Sie sind völlig ohne Scheu. Wir sind oft bis auf einen Meter an sie heran gerudert und sie haben sich nicht vom Fleck gerührt. Auf den letzteren waren wir nur drei Tage. Das Wetter war nicht sehr vorteilhaft. Der Ankerplatz vor Palm Island - einer winzigen, kreisrunden Insel mit einem weichen und blendet weißen Strand, sowie drei malerischen Palmen in der Mitte - war sehr unruhig. So haben wir bereits nach drei Tagen Segel gesetzt und sind nach Bonaire, der östlichsten der ABC Inseln, aufgebrochen. Nach einer schnellen, aber auf Grund der recht hohen achterlichen See auch recht unruhigen Überfahrt haben wir Bonaire nach nur 10 Stunden erreicht.
Was wir hier erleben - wir wollen bis zum30.August hier bleiben - , darüber wird Katrin dann später berichten.
Doch bevor ich diesen Bericht abschließe noch eine wichtige Neuigkeit: wir haben unseren Törnplan geändert! Schon eingangs hatte ich erwähnt, dass wir in diese Richtung nachdenken würden. Inzwischen haben wir uns entschlossen ein weiteres Jahr in Mittelamerika zu verbringen. Wenn wir Bonaire verlassen, werden wir Curacao, Aruba, Kolumbien, Panama und Costa Rica (die beiden letzteren sowohl auf der Atlantik- wie auch auf der Pazifikseite) besuchen, bevor wir im Herbst 2004 weiter nach Ekuador segeln und später dann den Pazifik in Richtung Südsee unter den Kiel nehmen wollen. Wir hoffen damit auch vielen Mitseglern weitere lohnenswerte Ziele bieten zu können. Insbesondere die San Blas Inseln, die wir ab November besuchen wollen, werden ein erstes Highlight sein. Ihr dürft mit uns gespannt sein, wie es weiter geht.
Für heute viele Grüße aus Bonaire
Reinhart

Islas Los Roques - Venezuela

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Heute sind wir seit genau einem Jahr unterwegs........ So wollte ich meinen Bericht beginnen. Aber dann bin ich nicht zum Schreiben gekommen. Nachdem wir unsere erste Tasse Kaffee - noch in der Koje liegend - zu uns genommen hatten, mit einem Sprung in unser "Blaues Badezimmer" - das heute eher türkis war - die Morgentoilette eröffnet hatten, auf der Heckbank in der Sonne liegend eine Kurzgeschichte (zur Zeit ist Commisario Montalbano an der Reihe) vorgelesen, in Ruhe das Frühstück eingenommen und die Morgenarbeit (also den Haushalt) erledigt hatten, haben wir schnorchelnderweise die Umgebung der "Grete" erkundet. Nach einem kleinen Mittagsimbiss sind wir mit dem Dinghy die knappe Seemeile zum Inner Diving Reef gefahren und haben dieses durch die Taucherbrille in Augenschein genommen. Zurück an Bord haben wir uns auf die Heckbank gesetzt und die gesammelten Tagebucheinträge - so wie ihr sie alle kennt - vorgelesen. Natürlich ging das nicht so in einem weg: immer wieder hatten wir etwas dazu zu bemerken, kamen Erinnerungen hoch, wurden die Eintragungen ergänzt durch Erlebnisse oder Eindrücke die nicht nieder geschrieben waren. Zum Abendessen gab es Barrakudakottelets (selbst gefangen) in Currypaste gebraten. Später haben wir uns dann noch mal unter einem grandiosen Sternenhimmel auf die Heckbank gesetzt, eine Flasche Lemberger Spätlese (danke Karli!) entkorkt und das vergangene Jahr Revue passieren lassen. Nicht ohne über die zukünftige Reiseroute nachzudenken.
So folgt jetzt also der Tagebucheintrag vom 27.6.03:

Einsame Strände auf den Roques

Beginnen möchte ich mit der Beschreibung des Ortes an dem wir uns heute befinden: Islas Los Roques , eine Inselgruppe - etwa 30 Stück - umgeben von mehreren, oft viele Kilometer langen Korallenriffs, von Nord nach Süd etwa 20 km, von Ost nach West etwa 50 km messend. Die Einfahrten in die Lagunen - also zwischen den Riffen hindurch - sind nicht immer leicht zu finden. Inzwischen haben wir aber schon etwas Erfahrung sammeln können, so dass wir bei hochstehender Sonne Sichtnavigation betreiben; dabei klettere ich - mit Polaroid-Sonnenbrille bewaffnet - ins Want und gebe Katrin durch Handzeichen die Richtung an, in die wir fahren können. Auf Grund der Wasserfärbung können wir erkennen, wo wir fahren können und wo nicht.
Vorgestern sind wir - von La Blanquilla kommend - in die südöstliche Einfahrt eingelaufen, sind noch etwa eine Seemeile zwischen zwei Riffs nach Norden gefahren und haben dann im Windschutz einer kleinen, nur etwa 100m langen, dicht mit Mangroven bewachsenen Insel unseren Anker fallen lassen. Soweit das Auge reicht: Natur pur. Das Grün der Mangroven kontrastiert stark mit dem Weiß der Strände; blau das tiefe Wasser, türkis über Sand, bräunlich über Korallen. Wir sind allein hier. Die Zivilisation macht sich nur durch einen Leuchtturm etwa 2 Seemeilen südlich von uns, sowie durch das Wrack eines Fischdampfers, der 1 sm nördlich von uns hoch auf dem Riff sitzt, bemerkbar. Gestern haben wir zwei -, heute ein Schiff gesehen, die in einiger Entfernung an uns vorbei zogen. Sonst nur Fregattvögel und Pelikane die wie Pfeile ins Meer schießen und bei jedem Sturzflug mit einem Fisch im Schnabel wieder auftauchen; Möwen, die kreischend Fischschwärme verfolgen; einzelne Fische, die sich hoch aus dem Wasser schnellen und manchmal brodelt die See richtig gehend von dicht unter der Oberfläche dahin ziehenden Fischschwärmen. - Ich habe immer von der Karibik geschwärmt und besonders die Tobago Cays hatten es mir angetan. Was wir hier in den Venezolanischen Inseln zu sehen bekommen übertrifft die Karibik bei weitem. Es ist kaum verständlich, dass sich z.B. auf Martinique Hunderte von Yachten in einer Bucht drängen, hier manchmal nicht eine einzige Yacht vor einer einsamen Inseln den Anker hat fallen lassen.

Ankern vor Blanquvilla

Über Isla Margarita, wo wir zwischen den Islas Testigos und La Blanquilla waren, werde ich weiter unten berichten.

Jetzt möchte ich erst mal ein kleines Fazit des vergangenen Jahres ziehen. Mit Verspätung - und damit unter Zeitdruck - hatten wir Bremerhaven verlassen. Haben Mitteleuropa "abgehakt" ohne viel zu sehen. Ab Spanien waren wir im Plan. Wir konnten termingerecht unseren Besuch, unsere Mitsegler, in Empfang nehmen und wieder abliefern. Aber schon bald haben wir gemerkt: es geht alles viel zu schnell. Immer hatten wir mit Einkäufen zu tun, mit der Ersatzteilbeschaffung, mit Wartungsarbeiten.
Gleich ein Wort zur Technik. Von Anbeginn unserer Reise gab es Technikprobleme. Bis auf den Petroleumherd, der immer wieder Schwierigkeiten macht, haben wir aber inzwischen so gut wie alles im Griff. Die Funkanlage, die lange unser Sorgenkind war, funktioniert inzwischen einwandfrei. Das gleiche gilt für die Seewasserentsalzungsanlage. Zusätzlich haben wir in unser großes Sonnensegel, das immer, wenn wir vor Anker liegen, gespannt ist, Vorrichtungen zum Auffangen von Regenwasser installiert. Und damit hat sich auch unsere Philosophie des Wasserverbrauchs geändert. Gespart wird zwar nach wie vor, aber das Geschirrspülen geschieht jetzt mit Süßwasser. Zwar ist Salzwasser grundsätzlich ok, nur fehlt den Gläsern etc. doch hinterher der Glanz. Körperhygiene wird weiterhin mit Seewasser in unserem "blauen Badezimmer", dem Seewasser vor der Haustür, betrieben, aber anschließend wird mit Süßwasser nachgespült oder geduscht. Wir fahren also jetzt zweigleisig. Trinkwasser aus der Aufbereitungsanlage, Waschwasser aus Regenwasser. Auch die Geruchsprobleme unserer Abwasseranlage haben wir weitest gehend lösen können. Jeden Morgen spülen wir die Leitungen gründlich mit Seewasser durch und benutzen dann ein speziell für die Schifffahrt entwickeltes, biologisches Mittel, um die Leitungen sauber zu halten. Kaum zu glauben ist, wie schlecht viele Produkte, die für den Yachtbedarf gefertigt werden, in der Praxis sind. Wahrscheinlich denken die Hersteller eher an den Wochenendyachti auf der Ostsee, nicht aber an Leute wie uns, die ihre Produkte im Dauerbetrieb betreiben. Wasserpumpen, Petroleumlampen, Schlauchboot, Windgenerator, Umformer für Strom , Funkgeräte, Handscheinwerfer, Bilgepumpen etc., alles hat schon ein- oder mehrmals den Geist aufgegeben. Aber dank unser Mitsegler - als Boten - und dem unermüdlichen Einsatz des Yachtausrüsters Janssen in Bremerhaven, bei Garantieleistungen und Neubeschaffungen, lässt sich das logistische Problem immer wieder lösen.

Seeigel sammeln für das Mittagessen

Doch zurück zum Reiseverlauf. Um unser erklärtes Ziel, nämlich Land und Leute der besuchten Länder kennen zu lernen, zu erreichen, fehlte die Zeit. Ab dem Frühjahr 2003 haben wir uns etwas mehr davon genommen und damit wurde die Reise stressfreier und schöner. Den alten Törnplan haben wir inzwischen ad Acta gelegt. Es gibt jetzt nur noch ein grobes Raster, das sich an den meteorologischen Bedingungen ausrichtet. Daneben lassen wir uns Zeit. Aus geplanten 5 Tagen für Grenada wurden 14, aus 4 Tagen für Isla Margarita 12, aus einer Woche Blanquilla 18 Tage. So gefällt uns das Segeln. Und so wollen wir es auch künftig halten. Auch unseren Mitseglern kommen wir damit weitest gehend entgegen. Einige wollen hauptsächlich segeln, die kommen auf den längeren Strecken - wenn wir mehrere Tage oder auch Wochen auf See sind - voll auf ihre Kosten; andere legen mehr Wert auf gemütliches Segeln entlang der Küste, mit zwei, drei Ankerbuchten in zwei Wochen und wieder andere sind froh, wenn sie mit uns die Möglichkeiten haben unbewohnte Gebiete kennen zu lernen - wie Blanquilla, die Los Roques oder später die San Blas Inseln der Kuna Indianer, wo wir etwa 2 Monate bleiben wollen. So haben wir für jeden etwas in Petto.
Und so überlegen wir zur Zeit auch, ob wir nicht nur unseren Zeitplan, sondern auch unsere Route noch abändern wollen. Ob wir nicht evtl. statt im März 2004 von Ekuador über den Pazifik zu den Marquesas zu starten, vorher noch Kuba, Guatemala, Costa Rica und Panama mit jeweils längeren Besuchen beehren. Der Sprung über den Pazifik würde sich dadurch um ein Jahr verschieben. Des weiteren überlegen wir - falls die Reise denn wirklich länger dauern würde - ob nicht evtl. mal ein Besuch in Deutschland eingeplant werden kann oder auch, ob Katrin vielleicht hier oder dort mal für eine kurze Zeit beruflich tätig werden kann, um nicht ganz aus ihrem Beruf heraus zu kommen. All diese Überlegungen beschäftigen uns zur Zeit; eins steht aber auf jeden Fall fest: die Hetze vom Anfang der Reise hat bei uns keine Chance mehr. In Abwandlung eines Sprichwortes möchte ich sagen: Zeit ist nur dann soviel Wert wie Geld, wenn man sie sich nimmt. Wir haben beschlossen das Motto unserer Reise abzuändern. Wir wollen nicht länger eine Weltumsegelung machen und in dieser Zeit an Bord leben; vielmehr wollen wir an Bord leben und bei dieser Gelegenheit auch irgendwann die Welt umsegeln. Dadurch erreichen wir die Freiheit dort hin zu fahren und uns dort auf zu halten wo es uns gefällt und uns nicht in das Korsett eines Törnplans ein zu zwängen. Unseren Mitseglern verlangen wir dadurch mehr Flexibilität bei der Planung ihres Urlaubs ab, bieten dafür aber auch exotischere Ziele.
Die Neuplanung unseres Reiseverlaufs unterliegt allerdings auch gewissen Schwierigkeiten. Katrin und ich haben da extrem andere Herangehensweisen. Katrin kommt ein Name in den Sinn, oder sie hört von anderen Seglern von einem exotischen Ziel: schon bricht sie in Begeisterung aus und liest alles was es darüber zu lesen gibt. Plant Klettertouren in den Bergen, Kanuausflüge durch den Regenwald. Höre ich einen neuen Namen, denke ich zuerst daran, wie man dieses Ziel in Bezug auf Wind, Wetter, Strömungen, Hurrikansaison und Jahreszeit erreichen kann. Erst dann schau ich nach, was man denn dort so machen kann. So kann es denn sein, dass Katrin in Gedanken bereits dort ist, ich aber keinen realistischen Weg dorthin sehe. Ein Gutes hat es aber. Auf diese Weise wird jegliches Für und Wider gründlich beleuchtet und wenn wir uns dann für ein Ziel entscheiden, ist es sicher eine Reise wert und man kann auch dort hinkommen. So ist übrigens die Planung dieser Reise von Anfang an gelaufen - und bisher recht gut!
Nun muss ich aber noch etwas über Margarita nachtragen. Eigentlich wollten wir dort gar nicht hin. Dann war es aber aus organisatorischen Gründen notwendig diese Insel anzulaufen. Wir konnten nur dort die Einreiseformalitäten erledigen, wenn wir nicht aufs Festland wollten. Und da wollten wir auf gar keinen Fall hin. Denn obwohl Venezuela ein wirklich schönes Land ist, das zu besuchen es sich auf jeden Fall lohnt, ist die Sicherheitssituation auf dem Festland eher kritisch. Raubüberfälle und Piraterie lassen es ratsam erscheinen, diesen Landstrich zu meiden. Die Inseln - außer Margarita - gelten aber als sicher. So hatten wir beschlossen Margarita für 4 Tage zu besuchen. Neben den Behördenwegen wollten wir noch Großeinkauf machen, denn Venezuela ist auf Grund des Währungsverfalls, der genau wie die zunehmende Verarmung und dadurch bedingte ansteigende Kriminalität politischen Ursprungs ist, ein Einkaufsparadies für den Ausländer. Und wir mussten mal wieder unsere Reserven aufstocken. Zum einen würden wir die nächsten 6 Wochen auf unbewohnten Inseln - also ohne Einkaufsmöglichkeiten - verbringen , zum anderen gelten die ABC Inseln, also Aruba, Bonaire und Curacao (unsere nächsten Ziele nach Venezuela) als teuer. So wollten wir denn Grundnahrungsmittel und Getränke für das nächste halbe Jahr einkaufen. Auf unserer Verpflegungsliste beim Auslaufen fanden sich denn auch Posten wie: 25 kg Spaghetti, 20 kg Reis, 10 kg Kaffee, 25 Gläser Marmelade, 20 kg Butter (in Dosen), 20 Kisten Bier, 10 Liter Olivenöl und vieles andere mehr; wobei die Schwierigkeit nicht im Einkaufen, sondern im Verstauen an Bord besteht. Wenn wir dann doch wesentlich länger dort geblieben sind, als ursprünglich geplant, so liegt es daran, dass uns Margarita trotz allem sehr gut gefallen hat. Es ist allerdings deprimierend zu sehen, wie dieses Land verfällt. Ein ehedem blühender Tourismus ist quasi zum Erliegen gekommen. Fast alle Großhotels stehen leer oder haben geschlossen. Viele Hotelneubauten stehen als Bauruinen in der Landschaft, die noblen Bekleidungsgeschäfte in den Haupteinkaufsstraßen haben zwar immer noch ein sehr gutes Angebot, doch langweilen sich die Verkäufer, denn kein Kunde betritt den Laden. In manchen Straßen haben mehr als die Hälfte der Geschäfte aufgegeben. Bereits ab 16:00 Uhr leeren sich die Einkaufspassagen und engen Gassen, da ab dem frühen Abend mit erhöhter Gefahr durch Taschendiebstahl und Raub gerechnet werden muss. Wir sind dann auch nur noch mit dem Taxi (zu Spottpreisen) unterwegs gewesen. Von Porlamar, wo wir einklariert hatten, sind wir dann etwa 50 km entlang der Nordküste nach Juangriego gesegelt, von wo wir den Sprung dann nach Blanquilla machten. Diese 50 km führten entlang einer Küste bestückt mit einer Hotel- oder Bungalowanlage nach der anderen. Und alle standen leer! Es war ein Jammer dieses mit ansehen zu müssen. Und dabei waren die Leute trotz der Resignation, die man wohl jedem Gesicht ansehen konnte, aufs höchste hilfsbereit und ausgesprochen freundlich.
Damit will ich diesen Bericht erst mal beenden. Ich denke aber, dass die nächsten Inseln, die noch auf unserem Wege nach Bonaire liegen, Anlass geben werden, nochmals den PC zu bemühen.

Die Fischer von La Blanquilla

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Von Isla Margarita kommend, sind wir nach 16stündiger Fahrt (der Wind war eher leicht, sodass die Grete die 62 Seemeilen nur langsam hinter sich brachte), auf Isla Blanquilla angekommen. Die Insel misst etwa 10 km im Durchmesser, ist an ihrer höchsten Stelle grade mal 15 m hoch und so gut wie unbewohnt. Es gibt hier an der Südküste nur einen kleinen
Posten der Guardacosta (Küstenwache) - mit 2 oder 3 Mann besetzt - sowie einige Fischerhütten, die nur zeitweilig bewohnt sind. Bei unsere Ankunft trafen wir auf nur noch zwei weitere Yachten. Beide führten die französische Flagge am Heck, wobei die eine zusätzlich noch eine italienische Flagge an der Sahling (Querstrebe am Mast) führte. Damit wird angezeigt, dass sich mindestens eine italienische Person an Bord befindet. Wir ankerten vor einem blendend weißen Strand, in dessen Mitte sich eine Gruppe von drei Palmen befindet. Ansonsten ist die Insel, auf der nur alle paar Jahre mal Regen fällt, nur von dornigem Gestrüpp, einigen verkrüppelten, entlaubten Bäumen und Kakteen bewachsen. Etwa 500 m weiter nördlich befindet sich noch ein primitiver Unterstand, der ebenfalls zeitweilig von Fischern als Materiallager und Schlafplatz genutzt wird (Von den Fischern Rancho genannt).
Schon kurz nach unserer Ankunft kamen von der einen Yacht die beiden Segler - ein älteres Paar aus Antibes - mit ihrem Dinghy bei uns längsseits, um mal schnell Hallo zu sagen. (Eine häufig anzutreffende nette Geste unter Langzeitseglern). Nach einem kurzen "woher und wohin" luden wir sie für den Abend zum Sundowner zu uns an Bord ein. Als sie sagten, dass sie für den Abend schon mit ihren Nachbarn von der anderen Yacht verabredet waren, baten wir sie, diese doch einfach mit zu bringen. Kurz vor Sonnenuntergang kamen sie zu viert. Bei den Seglern der zweiten Yacht handelte es sich um einen Franzosen und seine italienische Partnerin. Alle vier entpupten sich als angenehme Gesellschaft und nach etwas Smalltalk und einigen Gläsern Rumpunsch fuhren sie wieder auf ihre Yachten - nicht ohne uns für den nächsten Abend zu sich eingeladen zu haben. Und da lernten wir französisches Savoir Vivre in Reinkultur kennen. Zum Auftankt gab es Ti-Punsch. Weißer Rum von der Insel Martinique mit Limonenstückchen und Zucker verrührt. (Ti-Punsch ist kreolisch und bedeutet kleiner Punsch, von Petit = klein).

Lambi

Dazu gab es Lambis. Eine sehr große Meeresschnecke (Conch auf englisch), in kleinen Stückchen mit Kräutern geschmort. Inzwischen hatte Jaques die selbst herauf getauchten weißen Seeigel von ihren Stacheln befreit und mit der Schere den Boden herausgeschnitten. Das weiche, goldgelb bis orange leuchtende Innere bildete mit der grauweißen Schale einen sehr hübschen Kontrast. So konnten wir sie direkt aus der Rückenschale heraus löffeln. Sie haben einen feinen, süß-salzigen Geschmack. (Möglicherweise dreht sich jetzt der einen oder anderen Freundin der Magen um. Sei's drum: uns hat es geschmeckt). Als nächstes gab es Meeresschnecken, deren Namen ich nicht kenne. Das Gehäuse ist etwa so groß wie ein Apfel und der Inhalt sehr schmackhaft. Sylvana hatte bereits am Vortage einige gekocht, die es jetzt kalt mit selbst gemachtem Aioli gab und Eleonora brachte frisch gekochte mit einer kreolischen Soße auf den Tisch. Während Jaques weitere Seeigel öffnete, hatte Eleonora inzwischen einen Teig geschlagen, der dann mit den Seeigeln zu kleinen Omeletts ausgebacken wurde.

Seeigelomelette in Vorbereitung

Neben der Tatsache, dass all diese Köstlichkeiten uns ausgezeichnet schmeckten, war das Besondere, dass alles selbst aus dem Meer heraufgeholt war. Das ist damit noch um einiges besser, als wenn man es zu Hause beim Fischhändler gekauft - und noch dazu teuer bezahlt hätte. Und Jean achtete in der Zwischenzeit darauf, dass die Ti-Punschgläser nicht leer blieben. Sylvana holte Kokosküchlein aus dem Schrank, dazu einen Limoncello. Der krönende Abschluss bestand dann aus Espresso, zu dem sizilianisches Mandelgebäck gereicht wurde. Wir waren zu einem Sundowner geladen und im Handumdrehen wurde daraus eine kulinarische Abenteuerreise. Bei all dem wurde viel gelacht und in fünf Sprachen lebhaft erzählt (deutsch, französisch, italienisch - englisch wenn es mit den drei Sprachen nicht mehr weiterging - und mit Eleonora spanisch, das sie besser sprach als englisch) .
Am nächsten Tag schnorchelten Katrin und ich an einem sich in unmittelbarer Nähe befindlichen Korallenriff. Die Vielfalt an Fischen in den mannigfachsten Farben und Formen war überwältigend. Und endlich sahen wir auch lebende Korallen in ihrer vollen Farbenpracht. Im Karibischen Inselbogen (also von Guadeloupe im Norden bis nach Grenada im Süden) haben wir fast nur tote Korallenstöcke gesehen. Doch hier war die Unterwasserwelt noch intakt. Plötzlich sahen wir uns ca. 15 bis 20 Barrakudas gegenüber, die uns neugierig beäugten, uns in wenig mehr als einem Meter umkreisten und keine Anstallten machten sich zu entfernen. Zwar waren dieses noch recht kleine Exemplare, kaum größer als 70 - 80 cm und damit ungefährlich; wenn man aber von der Angriffslust dieser Fische weiß, so wird einem doch leicht mulmig. Wir brachen denn auch unsere Schnorcheltour ab und sprachen abends noch mit einigen Fischern über unsere Begegnung. Sie sagten, dass an der Stelle des Riffs immer viele Barrakudas anzutreffen wären. So machten wir uns tags darauf also auf die Jagt. Mit einer Schleppangel fuhren wir mit dem Dinghy immer an der Riffkante entlang. Viermal hat einer geschnappt, aber keiner hat richtig angebissen. So gaben wir denn wieder auf und fuhren zur "Grete" zurück. Ein Küstenfrachter, der den Fang der hiesigen kleinen Fischerboote aufnimmt, hatte tags zuvor dicht neben uns geankert.

Fischer zu Gast auf der Grete

Er hatte jetzt unseren Misserfolg beobachtet. Nun winkte er uns heran und schenkte uns einen Barrakuda, der für zwei volle Mahlzeiten für uns beide ausreichte. Als kleines Dankeschön luden wir den Kapitän und seinen Steuermann am Abend zu uns an Bord ein. Bei einigen Gläsern Rotwein wurde lebhaft erzählt. Sie waren sehr an unserer Reise und an der "Grete" interessiert. Ganz besonders nachdem ich erzählt hatte, dass auch "Grete" früher ein Fischereifahrzeug gewesen sei. Sie ließen sich das ganze Schiff zeigen und waren sichtlich beeindruckt, als sie das Alter der "Grete" erfuhren.

Die Fischer von Blanquvilla

Ihr Frachter - die "San Martin" - war kaum größer als unser Schiff, ebenfalls aus Holz erbaut, aber erst 15 Jahre alt. (Und in einem bemerkenswert guten Zustand). So erfuhren wir denn auch viel über die hiesige Art der Fischerei.
Morgens, mit dem ersten Tageslicht, gehen die kleinen Fischerboote Anker auf. Je zwei werfen zwischen sich ein Netz aus, mit dem sie in kurzer Zeit genügend kleine Fische hereinholen, die sie für den Tag als Köderfische gebrauchen. Dann fahren sie hinaus und ziehen Schleppangeln hinter sich her.

Sie fahren dabei mit 7 Knoten (13 km/h). Gefangen wird in erster Linie Thun und Barrakuda, aber auch Kingfisch, Blue Marlin, Dorade und manches mehr. Der größte Thun auf unserem Bild - der gerade im Eis verschwindet - hatte 35 Kg. Gefangen werden aber auch Exemplare von bis zu 180 Kg. Am Nachmittag kehren die Fischer dann von ihrer Fangreise zurück und liefern die Beute auf dem Frachter ab. Dort wird jeder Fisch einzeln gewogen und notiert. Wenn der Frachter nach zwei bis drei Wochen voll beladen ist (acht Tonnen Fisch in Eis eingegraben), fährt dieser nach Curacao oder Martinique, um den Fang dort zu verkaufen. Nach seiner Rückkehr zu den Fanggründen werden die Fischer dann bezahlt. Die kleinen Fischerboote sind offene, 6 bis 8 Meter lange hölzerne Fahrzeuge mit weit überhängendem, scharf geschnittenem Bug, mit dem sie die Wellen gut teilen und das Spritzwasser weitest gehend abweisen können. Sie haben ein festes Sonnendach und an den Seiten können Plastikplanen herabgerollt werden. So haben die Fischer jedenfalls etwas Schutz vor Sonne, Wind und Wetter, denn immerhin leben sie zu zweit oder dritt auf ihren kleinen Booten jeweils für zwei bis drei Wochen, bevor es dann wieder über die offene See mehr als 100 km nach Hause - zur Isla Margarita geht. Und auf ihren kleinen Booten verbringen sie natürlich auch ihre ganze Freizeit; was sollen sie auch sonst machen, auf einer Insel auf der es weder Frauen noch Kinder, weder Kino noch Kneipe gibt.
Während der vier Tage welche die "San Martin" neben uns ankerte hat sich eine richtige kleine Freundschaft zwischen unseren beiden Besatzungen entwickelt. Sie versorgten uns ständig mit frischem Fisch und wir sie mit Rum und Zigaretten. Eine hier übliche Art sich zu verproviantieren. Es wird aber nicht getauscht und gehandelt, vielmehr ist es immer ein Schenken von beiden Seiten, ohne aufzurechnen. Heute Morgen waren wir noch einmal auf der "San Martin", um sie näher kennen zu lernen.

Der Thun verschwindet im Eis.

Der Kapitän - Adres mit Namen - war selbst im Eisraum verschwunden, um den letzten Fang noch unter Deck zu verstauen. Bäuchlings lag er im Eis, schob Fisch auf Fisch in den Laderaum - bis unter den Deckplanken kein Zentimeter Luft mehr war - und packte jeden einzelnen Fisch mit Hilfe einer kurz stieligen Schaufel, zuletzt mit einem Blechteller - in Eis ein. Während dessen führte uns Leonardo, der Steuermann, überall herum und zeigte uns stolz sein Schiff. Das Mannschaftslogis für acht Leute maß weniger als 4 m². Auf diesem engen Raum waren auf jeder Seite vier Kojen übereinander eingebaut, jeweils nur 50cm breit, mit einem Mittelgang von ca. 70cm. Der Kapitän hatte seine ebenfalls sehr schmale Koje im Steuerhaus, mit zwei weiteren Kojen über und unter sich für evtl. Gäste. Zwischen seiner Koje und dem Steuerrad hatte nur ein schlanker Rudergänger Platz; und trotzdem war Leonardo stolz auf dieses sehr "komfortable" Schiff - denn auf anderen wäre weit weniger Platz für die Mannschaft, beteuerte er immer wieder. Die Kombüse bestand aus einem Raum, in dem ein normaler, vier flammiger Gasherd stand, daneben eine Arbeitsplatte von ca. 60 x 60cm. Die Backofentür ließ sich nur zu ¾ öffnen. Mehr Platz war nicht. Auch der Smut stand bei seiner Arbeit draußen an Deck. Und alle freuten sich über jedes Foto das wir schossen und genossen es sichtlich, dass wir so großes Interesse an ihrem Schiff zeigten.
Grade eben, während ich diese Zeilen schreibe, ist die "San Martin" Anker auf gegangen und hat Kurs auf Curacao genommen. Dabei fuhr sie dicht an uns vorbei und mit viel Winken und guten Wünschen von beiden Seiten - und natürlich 3 x Lang mit dem Typhon (Schiffshupe) - richtete sie ihren Bug nach Westen. Werden wir sie im August in Curacao wieder sehen?
Zwei Tage später:

Die San Martin

Ein Küstenfrachter wie die "San Martin" steuert unsere Bucht an. Ich nehme das Glas und schaue hinüber: es ist die "San Martin". Wieder geht sie dicht neben uns vor Anker, mit großem Hallo von beiden Seiten. Wir erfahren, dass sie auf ihrem Weg nach Curacao noch eine weitere Bucht auf dieser Insel angelaufen hatte, wo sie 4 Tonnen kleine Fische übernehmen sollte, die dort in einem durch Netze gebildeten "Lagerraum" im Meer auf die Verladung warteten. Hoher Wellengang hatte aber eines der Netze zerrissen und der Fang vieler Tage war verloren. Jetzt hieß es wieder warten, bis der Laderaum gefüllt werden konnte. Andres, der selbst zu uns herüber gekommen war, erzählte uns davon. Und dann bat er um 2 Flaschen Rum für sich und seine Besatzung, denn heute wäre in Venezuela Vatertag und das wolle man am Strand mit einem Grillfest feiern. Natürlich - beteuerte er - seinen auch wir herzlich eingeladen, und mit uns alle anderen Segler. (Inzwischen hatte sich noch eine weitere Yacht eingefunden; ein polnisches Paar aus Kanada).

Vatertag am Strand

Die Strandparty war ein voller Erfolg. Der Smut der "San Martin" hatte drei Barrakudas mit viel Würzkräutern in Folie eingewickelt und sie auf dem offenen Feuer gegart. Wir aßen sie aus der Hand, d.h. wir benutzten Fladenbrot als Teller und aßen dieses gleich mit. Schon bald begannen die Fischer - unter denen sich zwei Sänger befanden, die, als in Venezuela der Tourismus noch boomte, in großen Hotels aufgetreten waren und die nun der Not gehorchend den Beruf gewechselt hatten - zu singen. Und es dauerte nicht lange bis man auch uns aufforderte etwas aus unserer Heimat zum Besten zu geben. So wechselten sich denn südamerikanische Schmacht- mit polnischen Pfadfinderliedern, französischen Changsons und dem "Hamburger Veermaster" und "Dat Du min Leevsten büst" ab. Adres verwaltete die Rumflaschen. Es gab nur einen Becher, der die Runde machte. Er schenkte ein, nahm einen Schluck, gab dann an Leonardo, an mich, an die Runde weiter, bis er dann leer wieder bei ihm ankam. Entsprechend war der Grad der Trunkenheit, als wir gegen Mitternacht zu unseren Booten fuhren: die Matrosen, die als letzte in der Runde saßen, waren fast nüchtern.
Am nächsten Morgen, der geruhsam begann, breitete sich auf der "San Martin" plötzlich Hektik aus. Ein Funkspruch hatte sie alarmiert: In einer nördlich von uns gelegenen Bucht hatten Fischer einen Fang von drei Tonnen Kleinfische angelandet. Den wollten sie jetzt sofort übernehmen und dann doch noch ohne große Wartezeit nach Curacao in See stechen. Ein junger Mann der Besatzung machte schnell die Runde bei allen Yachten um sich im Namen aller zu verabschieden und schon ging die "San Martin" erneut Anker auf und das Winken und Tuten wiederholte sich. Wir hatten eine schöne Zeit miteinander.
Tags darauf verließen uns auch die anderen drei Yachten und seither sind wir hier als einzige Fremde zurück geblieben. - Und genießen die Ruhe!

Zu Gast im Rancho

Eins bleibt noch nachzutragen: Während unseres Aufenthaltes hier haben wir mit zwei jungen Fischern des Rancho - mit Roberto und Piri - eine Inselwanderung unternommen. Ein Kollege der beiden hatte uns mit seinem Boot, einer Pirogge von ca.6 Metern Länge und mit zwei 40 PS Außenbordern bestückt, in rasanter Fahrt um die halbe Insel gefahren und dann sind wir quer rüber wieder zum Rancho zurück gewandert. Durch ausgetrocknete Bachbetten, in denen sich uralte, riesige Mangrovenbäume befanden, an Felsgrotten vorbei - in deren einer eine kleine Marienstatue stand - ging es zuerst querfeldein, später dann auf der "Inselstraße" durch verdorrtes, dorniges Gelände, die sich mit Kakteenflächen abwechselten, zurück. Die "Inselstraße" besteht aus einer ausgefahrenen Autospur. Sie führt vom Posten der Guardacosta zum Rancho, mit einer Abzweigung in der Inselmitte zur Playa del Americano. Und an dieser Abzweigung steht ein Hinweisschild zu den zwei Endpunkten. Und irgendwo - in the middle of nowhere - gibt es noch ein Hinweisschild mit der Aufschrift "Guardacosta 3 km". Man muss dazu wissen, dass es auf Blanquilla gerade mal zwei Autos gibt. Ein heiles und ein kaputtes, beide der Guardacosta gehörend. Als Lebewesen trafen wir immer wieder auf verwilderte Esel. Es müssen Hunderte auf der Insel leben. Ernähren tun sie sich von den verdorrten Grasbüscheln, welche die ganze Insel bedecken. Aber wie stillen sie ihren Durst? Die Fischer meinen, dass sie Seewasser trinken, aber das glaube ich nicht. Auch habe ich nirgends Eselsspuren am Strand gesehen - sonst aber überall auf der Insel. Sonst sahen wir noch Leguane und Papageien, die sich von den Kaktusfrüchten ernähren. Während dieser Wanderung merkten wir eines recht deutlich: bei uns an Bord, in der leichten bis frischen Briese, war das Klima sehr angenehm. Im Inselinneren jedoch und noch dazu am frühen Nachmittag, war es ausgesprochen heiß. Als wir das Rancho erreicht hatten und uns verabschiedeten, luden uns die zwei Fischer für den nächsten Tag zum Essen ein. Der Chef und die meisten anderen Bewohner des Ranchos würden für drei Tage nach Isla Margarita fahren uns so währen sie zu fünft allein. Wir - und mit uns die Franzosen - nahmen diese Einladung gerne an.
Es war mehr als Bemerkenswert was uns da geboten wurde. Die fünf jungen Männer hatten sich wirklich die allergrößte Mühe gegeben. Zwar war der äußere Rahmen recht primitiv: als Tisch fungierte eine Fischreuse, die liebevoll gedeckt war mit Plastikschüsseln als Teller und einem Marmeladenglas als Trinkgefäß. Fischkisten bildeten die Stühle. Nachdem wir nach reichlich gegrillten Fisch und Maisfladen eine große, gegrillte Languste mit der Hand verzehrt hatten, reichte man uns eine Schüssel mit Seifenwasser und ein Handtuch. Etwas, auf das wir vorher auf Margarita in einem vornehmen Restaurant vergeblich gewartet hatten. Hut ab!
Nachdem die "San Martin" die Insel verlassen hatte, machten Katrin und ich mit dem Dinghy einen Ausflug zur Playa del Americano. Eine wunderschöne, von felsiger Steilküste eingerahmte Bucht mit blendend weißem Strand. Sie gefiel uns so gut, dass wir - nach unserer Rückkehr zur "Grete" - Anker auf gingen und in diese neue Bucht verholten. Die Schnorchelmöglichkeiten an den der Felsküste vorgelagerten Korallenriffen waren sehr, sehr gut. Als wir entdeckten, dass es hier Seeigel in Hülle und Fülle gab, war uns sofort klar: heute gibt es Seeigelomelette. In weniger als zehn Minuten hatten wir unser Mittagessen beisammen. Abends saßen wir dann bei einem Lagerfeuer, das wir vor einer Felshöhle am Strand entzündet hatten und genossen einen Merlot und den südlichen Sternenhimmel. Nachdem das Feuer runtergebrannt und der Mond aufgegangen war, sahen wir auf der Steilküste gegen den hellen Nachthimmel Esel wandern. Ein gutes Dutzend dieser Grautiere zog auf die Klippe, welche die Einfahrt der Bucht begrenzte um zu äsen. Noch lange nachdem wir uns wieder an Bord begeben hatten standen sie dort und in der Nacht konnten wir noch in der Koje ihre Schreie hören. Hier wären wir gerne noch einige Tage geblieben, aber leider hat uns eine recht unangenehme Dünung, die am nächsten Tag in die Bucht hineinstand, gezwungen, dieses wunderschöne Stückchen Erde (und Wasser) wieder zu verlassen. Wir sind dann nochmals zu unserem alten Ankerplatz zurück gekehrt. Für heute Abend haben wir Roberto, Piri und seine Freunde zu uns an Bord eingeladen. Wir wollen ihnen die Fotos zeigen, die wir hier mit unserer Digitalkamera gemacht haben.
Einen Tag später: Roberto und seine Freunde waren bei uns. Leider konnte Piri nicht mit kommen, da er einen schlimmen Fuß hatte. Wir haben die Fotos angeschaut und viel gelacht. Wir haben gegessen und getrunken und uns dann verabschiedet, denn es war unser letzter Abend auf La Blanquilla; wir wollten weiter nach Los Roques. Bevor wir aber unseren Anker einholten, sind Katrin und ich noch einmal zum Rancho gefahren und haben nach Piri gesehen. Er lag in einer Hängematte und blickte betrübt drein, denn er konnte nicht mit hinaus zum Fischen - d.h. zum Geldverdienen - und hier in der Hängematte langweilte er sich. Er hatte einen bösen Abzeß auf dem Fußrücken. Katrin hat nicht lange gefackelt: Skalpell, Schnitt, Tupfer, Verband und schon war der Patient versorgt. Wir haben ihm noch weiteres Verbandszeug und Salben da gelassen, denn im Rancho gibt es noch nicht einmal ein Pflaster.
Und dann haben wir den Anker aufgenommen und haben Kurs gesetzt auf die Los Roques.
18 Tage waren wir auf dieser wunderschönen Insel, haben viel erlebt und nette Menschen getroffen. Was mich immer besonders beeindruckt, ist die Gastfreundschaft der einfachen Leute - der Ärmsten der Armen. Leute, die unter großen Entbehrungen und harter Arbeit für ein paar Pfennige ihr Leben fristen, teilen das Wenige was sie besitzen ohne nachzudenken mit dem Fremden. Ein Dankeschön ist ihnen Lohn genug.

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