Bei der Atlantiküberquerung

 

 

 

Reisetagebuch

Dieses Tagebuch wird von erfreulich vielen Menschen verfolgt, auch sehr vielen, die Katrin und Reinhart noch nie gesehen haben. Dies freut uns (auch den Webmaster) sehr. Wir wollen daher speziell diese Tagebuchseiten in ihrer Funktionalität verbessern.

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Da die Tagebucheinträge doch sehr unregelmäßig erscheinen und viele Leute wohl so immer wieder vergeblich nach einem neuen Beitrag schauen, wird es ab jetzt eine Mailing-list geben. Jeder, der per email benachrichtigt werden möchte, sobald ein neuer Tagebuchbericht erschienen ist, sende bitte eine email an den Webmaster R. Hamann. Die Adresse ist grete@reinhard-hamann.de.Persönliche Nachrichten bitte direkt an Katrin und Reinhart an folgende email: k.hennings@gmx.net

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Vom 11.04.2004 San Blas
Vom 30.01.2004 Von Curacao nach Cartagena
Vom 23.01.2004 Curacao

Vom 30.10.2003

Lacai

 

Bonaire-Regatta

 

Besuch in Ecuador

 

 

Ältere und neuere Tagebuchberichte:

Bitte zum Ende gehen.

San Blas

Doc-Version

Tagebucheintrag vom 22.3.04
Cartagena de Indias
An dieser Stelle sollte jetzt eigentlich ein Bildbericht über Cartagena stehen, aber leider hat uns unser Webmaster mitgeteilt, dass er unsere Bilder, die wir unseren letzten Mitseglern von den San Blas Inseln nach Hamburg mitgegeben hatten, nicht öffnen kann. Und da es hier kein Internetcafe gibt (wir empfangen und verschicken unsere Mails über Kurzwelle und das funktioniert nicht bei Bildern), wird dieser Bericht warten müssen, bis wir wieder Internetzugang haben werden. Das wird allerdings erst im Mai
sein. Also bis dann,
Katrin

Tagebucheintrag vom 11.4.04
San Blas Inseln
Nachdem wir Cartagena am 8.März verlassen hatten, erreichten wir den Archipel de San Blas nach einer 45stündigen, ziemlich aufreibenden Überfahrt. Obwohl der Wind - nach stürmischen Wochen - auf nur noch 5 - 6 Windstärken abgeflaut hatte, und die Wellen ein erträgliches Maß von um die drei Meter hatten , wurden wir gebeutelt, wie wir es bisher noch nie erlebt hatten. Würde ich von Kreuzseen sprechen, entspräche dies nicht den Tatsachen: die See war chaotisch! Die "Grete" wurde hin und her geschleudert und krachte gegen Wasserwände wie ein Squashball in der Box. Aber dann liefen wir in den Archipel ein.

Die San Blas Inseln: der Traum eines jeden Seglers! (Sofern er schon davon gehört hat). Entlang der Nordküste Panamas, beginnend an der kolumbianischen Grenze, erstreckt sich ein 220 km langer Inselstreifen mit knapp 400 Inseln. Die meisten unbewohnt, von Palmen bestanden, umrandet von schneeweißen Stränden liegen sie in der türkisfarbenen See; meist flankiert von dicht unter der Oberfläche liegenden Korall enriffen. Als kleiner Junge habe ich mich immer geärgert, dass es heute keine weißen Flecken mehr auf der Landkarte gibt - ich also nicht "Entdecker" werden konnte. Hier gibt es sie noch, die weißen Flecken; in den Seekarten nämlich. Dort steht dann nur "unserveyed" - unvermessen - und das bedeutet für den Seemann, dass er ins Ungewisse fährt. Man nennt die hiesige Art der Navigation "eyeballing" - nach Sicht fahren - und das bedeutet, dass man eigentlich nur bei hochstehender Sonne fahren kann, denn nur dann lässt sich an der Wasserfärbung erkennen, wo unterseeische Riffe lauern. Schlecht kann es ausgehen, wenn man unversehens in eine Sackgasse gerät und gerade wenn man sich zum Umkehren gezwungen sieht, eine dunkle Wolke die Sonne vom Himmel wäscht und das Wasser rundherum unschuldig grau aussieht. Aber nicht alle Gebiete des Archipels sind unvermessen, für den größten Teil gibt es Seekarten mit guten Angaben. Zwar datiert deren Vermessung bereits aus dem 19ten Jahrhundert, ist dementsprechend ungenau,
aber die Lage der Inseln zu den Riffen ist gut dargestellt.


Die Comarca San Blas, zu der nicht nur die Inseln gehören, sondern auch noch ein breiter Streifen Festlands bis zur Wasserscheide, gehört zwar zu Panama, ist aber weitgehend autonom und wird ausschließlich von den Kuna Indianern bewohnt und verwaltet. Obwohl wir nun schon einige Wochen hier herumkreuzen, haben wir noch keine Passbehörde und keinen Zoll zu Gesicht bekommen. Es genügt, wenn man bei Ankunft auf einer bewohnten Insel zum dortigen Inselchef - dem 1.Sahila - geht und um die Erlaubnis bittet in seinem Inselgebiet fahren und ankern, die Inseln betreten, die Flüsse befahren zu dürfen. Dann bekommt man in aller Regel die Erlaubnis, muss meist 5 $ bezahlen und kann sich jetzt einen Monat frei bewegen. Die einzelnen Inseln sind sehr unterschiedlich. Manche haben sich dem westlichen Lebensstil angepasst, andere sind streng traditionell in ihrer Lebensweise, bei wieder anderen verwischen sich die Grenzen. Wie eine Inselgemeinschaft leben will, wird im Congresso - dem Inselrat - entschieden und ist dann für alle verbindlich. Eine, die sich für den traditionellen Weg entschieden hat, ist Isla Tigre oder Digir wie die Kuna Yala , das Volk der Kuna Indianer, ihre Insel nennen.

Hier sitzen wir am Nachmittag des Ostersonntag 2004 auf einer roh gezimmerten Bank vor einer Tienda, einem Einkaufsladen, der an einen größeren Platz grenzt. Gegenüber ein flaches, hellgrün gestrichenes Steinhaus, in dem sich ein Büro der Inselverwaltung und ein Erfrischungsladen befindet; man könnte auch von einem Minirestaurant reden. Linker Hand die Steinmole, an der gerade ein Coaster, ein kleines, hölzernes Handelsschiff liegt. Eines dieser Schiffe, die hier den Waren- und Personenverkehr zwischen den Inseln aufrecht erhalten. Zur Rechten ein Langhaus, der Congresso. Ein etwa l5m langes und 6m breites, aus Bambus erbautes und mit Palmwedeln gedecktes Haus, in dem der Inselrat tagt. Es ist im Inneren wie ein Kirchenschiff mit in der Mitte quer- und an den Seiten längs aufgestellten Bänken ausgestattet. Im Zentrum ein freier Platz, auf dem meist drei Hängematten hängen. Hier schaukeln die obersten Sahilas (Bürgermeister) gemütlich vor sich hin, während alle anderen mit harten Bänken vorlieb nehmen müssen. Auf dem Platz, vor dem wir gerade sitzen, wird getanzt. Außer uns - den einzigen Weißen - haben sich viele Einwohner Tigres, hauptsächlich Frauen und viele, viele Kinder eingefunden, um diesen Tänzen zu zuschauen. Frauen sieht man fast nur in der traditionellen, sehr farbenfrohen Tracht. Wickelröcke aus bedruckten Baumwollstoffen, die in der Regel das Knie bedecken (nur die unter 15jährigen Mädchen lassen noch Knie sehen).
Die Mola (Bluse) besteht aus überaus farbenprächtigem, durchsichtigen Kustsseidenstoffen, auf die auf Brust- und Rückenpartie die eigentliche Mola aufgenäht ist. Es handelt sich hierbei um ein rechteckiges Gebilde, das von den Kunafrauen kunstvoll hergestellt wird. Sie legen mehrere Stoffbahnen unterschiedlicher Farbe übereinander und indem sie aus den einzelnen Bahnen Stücke herausschneiden, die "Löcher" fein säumen und alles miteinander vernähen, erhalten sie traditionell geometrische- oder figürlicheMuster. Fast alle tragen ein rotes, mit verschiedenen, gelben Mustern bedrucktes Kopftuch, welches sehr unterschiedlich gebunden wird. Arme und Beine sind mit feinen, bunten Perlenschnüren umwickelt, die bei manchen Frauen den ganzen Unterarm und den Unterschenkel bedecken. Die Schnüre sind mit verschiedenfarbigen Perlen aufgezogen, sodass sie beim Wickeln geometrische Muster ergeben. Der goldene Nasenring ist - außer bei den ganz jungen Mädchen - wohl ein Muss. Ich habe keine Frau ohne ihn gesehen. Bei einigen Frauen, meist jüngeren, schließt sich der Ring nicht unterhalb der Nase, sondern bereits im Inneren an der Nasenscheidewand So sieht man den Nasenschmuck nur von der Seite, nicht aber von vorn. Außerdem tragen viele Frauen reichlich Goldschmuck; sehr schöne, aus sehr dünnem Goldblech gehämmerte Halsketten oder ganze Brustgehänge und mehrere Ringe an den Fingern. Oft haben sie auf ihren Nasenrücken einen schwarzen Strich, von der Wurzel bis zur Spitze und bei einigen konnte man bei näherem Hinsehen erkennen, dass der Strich aus winzig kleinen, kunstvoll gemalten Kreuzen oder Buchstaben bestand. Die Männer aber sind ganz westlich gekleidet; wadenlange Hosen, T-Shirts und meistens eine Baseballmütze. Nur vereinzelt mal ein Stirnband oder Kopftuch. Getanzt werden nur Gemeinschaftstänze, die unserer Quadrille oder dem Squaredance gleichen, wobei aber jede Körperberührung vermieden wird. Und jeder Tanz ist anders, die getanzten Figuren sehr unterschiedlich. Alle Tänze die wir gesehen haben wurden von jeweils sechs Männern und sechs Frauen getanzt. Zum Beispiel so: die Tänzer stehen sich im Quadrat gegenüber, auf zwei Seiten stehen sich jeweils zwei Männer und zwei Frauen gegenüber, auf den beiden verbleibenden Seiten auf der einen zwei Männer, auf der anderen zwei Frauen. Die Männer spielen während des Tanzens eine Flöte - die Camu - ein Instrument ähnlich der Panflöte. Sie besteht aus zwei Teilen; wie bei einer Orgel sind unterschiedlich lange Bambusrohre zusammengebunden, im einen drei, im anderen Teil vier. Man spricht dabei von einem männlichen- und einem weiblichen Teil der Camu. Die unterschiedlich langen Röhren sind bei einem Teil dünner, beim anderen dicker. Die Frauen haben jeweils eine aus einer Kalebasse gefertigte Rassel in der Hand. Die Musik besteht aus einer längeren Tonfolge, die sich mit nur leichten Variationen ständig wiederholt. Soweit der technische Teil, nun aber der Tanz selbst: Die Männer beginnen mit sehr zarten Tönen - sie spielen also und tanzen gleichzeitig - und gehen mit leicht vornüber geneigten Oberkörpern zur Mitte und zurück, dann folgen die Frauen mit den gleichen Schritten. Nun wird die Musik langsam lauter, die Rasseln lassen sich vernehmen und die Tänzer fallen in einen langsamen, mit der Zeit aber immer schneller werdenden Lauf. Während die Frauen in aufrechter Haltung hüpfende Wechselschritte vollführen, springen die Männer immer von einem Bein auf das andere, wobei der den Boden berührende Fuß immer noch einen kleinen Zwischenhüpfer macht; dabei schwingen sie den weit vorüber geneigten Oberkörpern von einer Seite auf die andere. So sieht also der Grundschritt aus und nun geht es in immer wieder wechselnden Figuren mal von der einen zur anderen Seite, dort um den Partner herum und zurück, mal diagonal oder in Schleifen, mitunter bei der Begegnung in der Mitte mit einer vollen Drehung um den gegenläufigen Tänzer herum und weiter in der Figur.
Je länger der Tanz andauert (und er dauert lange, oft 15 Minuten oder mehr), desto schneller werden die Figuren um dann plötzlich wieder langsam - bei leiseren Tönen - zu werden und dann wieder lauter und schneller, jetzt werden die Bocksprünge der Männer wilder und während sie weiterhin ihre Flöten spielen, die Melodie zu einem Furioso steigern, weiter die Figuren tanzen, beginnen sie gleichzeitig um die eigen Achse zu wirbeln und immer bleiben die Figuren symmetrisch; der Boden aber - harter Sand - dröhnt von den stampfenden Sprüngen der barfüßigen Männer und Frauen und wir konnten das Beben der Erde in unseren eigenen Füßen spüren. So mühelos das ganze uns auch erscheinen mochte, als der Tanz beendet war sanken die Frauen auf die Stufen des gegenüber liegenden Hauses, die Männer aber stützten sich mit den Händen an der Hauswand ab und rangen mit hängenden Köpfen nach Atem. Sie alle waren vollständig erschöpft. Und das nimmt nicht weiter Wunder wenn man bedenkt, dass sich all dieses unter freiem Himmel abspielte, während die Sonne unbarmherzig auf die Tanzenden hernieder brannte. Selbst uns, die wir im Schatten bei einer Cola saßen, lief der Schweiß unter dem Hemd den Rücken herunter. Doch kaum waren drei, vier Minuten vergangen, formierten sich die Tänzer erneut und wieder wirbelten die Leiber, stampften die Füße und die Frauen vergaßen nicht mit ihren Partnern zu flirten.

Reinhart

Von Curacao nach Cartagena

Doc-Version

Heute ist die dritte Nacht auf See. Die "Grete" läuft nur mit Vorsegeln 5 kn vor dem Wind, der mit 5-6 Windstärken aus Ost bläst. Die Wellen haben ein erträgliches Maß; die "Grete" rollt gleichmäßig und schiebt einen ordentlichen Bart weiß schäumenden Wassers vor sich her. Ich sitze auf der Heckbank, habe den Kompass und die Selbststeueranlage im Auge und einen grandiosen Sternenhimmel über mir. Es ist 2 Uhr Morgens und ich lasse die vergangenen Tage Revue passieren. Sie hatten es in sich. Allerdings waren es nicht (jedenfalls bisher) die gefürchteten hohen, steilen Wellen, für die dieser Wegabschnitt berühmt und gefürchtet ist. Jimmy Cornell, der Verfasser der besten Handbücher für Langzeitsegler, jedenfalls schreibt: "Diese Strecke (ABC-Inseln bis Panama) wird von manchen Seglern als die schwierigste ihrer Weltumsegelung auf der Barfußroute bezeichnet". Das Besondere dieser Strecke ergibt sich aus dem Gegeneinander von Strom und Wind. Letzterer, der als Passat von Afrika kommend den Atlantik überquert hat, erreicht hier im Auslaufen seine größte Stärke. Meist mit sechs Windstärken blasend erreicht er zu dieser Jahreszeit in 28% aller Fälle die Stärke 8 auf der Beaufort Skala. Richtige Stürme jedoch sind selten. Der Strom, vom Passat angeschoben, der als Nordäquatorialstrom ebenfalls von Afrika kommend ins Karibische Becken fließt, stößt hier auf die honduranische Küste und während der größte Teil seinen Weg durch die Yucatanstraße in den Golf von Mexiko nimmt, seinen Namen ändert und als Golfstrom durch die Floridastraße wieder in den Atlantik zurück kehrt, biegt ein kleiner Teil nach Süden ab, folgt als Panamaischer Gegenstrom der Küste zurück nach Kolumbien, wo er erneut kehrt macht und sich wieder mit dem Hauptstrom verbindet. Und dieser Gegenstrom ist es, der die besonders hohen und wegen ihrer Steilheit gefürchteten Wellen verursacht.
Aber ich will von Anfang an erzählen. Die Werftzeit in Curacao war vom 17. bis 27.11. geplant. Ende November wollten wir weiter. Der November gilt für die Fahrt nach Kolumbien als der beste Monat. Der Passat setzt nach seiner Sommerpause wieder ein - hat aber noch nicht seine volle Stärke erreicht. Und die wenigen Stürme die es hier gibt, treten meist erst in der Weihnachtzeit auf und werden daher von den Kolumbianern als "El Nino", das Christkind, bezeichnet. Ebenso wie das sporadisch im Pazifik auftretende Wetterphänomen.
Aber es kam alles ganz anders: der Werftbesitzer in Curacao teilte uns mit, dass er das Unterwasserschiff der "Grete" inspiziert habe und leider sagen müsse, dass die Unterwasserform des Schiffes nicht auf seinen Schlitten passe, der für die Form moderner Yachten ausgelegt sei. Er habe aber bereits mit dem Curacao Yachtclub in Spanish Waters telefoniert. Die könnten uns kurzfristig in ihren eigentlich vollen Terminplan einschieben. Zwar teurer als "unsere" Werft akzeptierten wir dieses Angebot und fuhren zurück nach Spanish Waters, das wir erst drei Tage vorher verlassen hatten. Am Sonntagmorgen fuhren wir in den Schlitten ein, die Seitenstützen wurden in Position gebracht und langsam glitt die "Grete" aus ihrem Element aufs Trockne. Halb aus dem Wasser versagte die Seilwinde, an welcher der Schlitten hing, ihren Dienst. Achselzucken und beratschlagen bei den Clubleuten, dann wurde uns mitgeteilt die "Grete" sei zu schwer. Nachdem wir $ 100,- für nichts und wieder nicht bezahlt hatten, fuhren wir erneut nach Willemstadt in "unsere" Werft. Es folgten mehrtägige Verhandlungen mit der Drydock Company - einer Großschiffswerft - die aber zu keinem Ergebnis führten. Für das Kranen allein sollten wir $ 1.000,-- zahlen; dazu Tagegeld Wasser und Stromkosten. So wären wir bereits ein kleines Vermögen losgeworden, noch bevor der erste Hammerschlag erklungen wäre. Wir dankten und gingen. Nun entschlossen wir uns auf "unserer" Werft nur noch eine kleine Arbeit ausführen zu lassen, nämlich einige Decksnähte, die der Tropensonne nicht standgehalten hatten, neu abdichten zu lassen. (Kalfaten nennt man das) und dann nach Cartagena zu segeln und die "Grete" dort aufs Trockne zu setzen. Kaum war das Werk aus den undichten Nähten entfernt, setzten auf dieser von der Sonne durchglühten, ausgetrockneten Insel heftige Gewitter ein. Eine Woche lang jagte ein schwerer Schauer den nächsten. Wir bemühten uns nach Kräften die offenen Stellen mit Tape abzudichten, doch vergebens: die "Grete" glich einer Tropfsteinhöhle. Auf dem Fußboden stand das Wasser, es floss von der Decke, die Matratzen glichen vollgesogenen Schwämmen. Na ja, Tropfsteinhöhle eben. Nach einer Woche war der Spuk vorbei. Die Sonne knallte aufs Deck, die Nähte trockneten aus und konnten geschlossen werden. Nun hätten wir eigentlich los wollen. Aber da war noch unser Kurzwellenradio.
An dieser Stelle hatte ich heute Nacht meinen Bericht unterbrochen. Katrin hatte die Wache übernommen. Wir lösen uns alle drei Stunden ab. Jetzt ist es zwölf Stunden später. Wieder sitze ich auf der Heckbank. Auf Kompass und Selbststeueranlage brauche ich nicht zu achten, denn wir liegen beigedreht. Das heißt das Ruder liegt hart zur Luvseite und das kleinste Vorsegel - die Fock - steht back (d.h. gegen den Wind). Dadurch treibt die "Grete" quer zu den Wellen mit nur 1-2 kn Fahrt und liegt verhältnismäßig ruhig in der See. Der Wind hat noch etwas zugelegt. 7 Bft. (ca.55 km/h). Es ist aber nicht so, dass wir schon bei 7 Windstärken beidrehen müssten. Es ist nur so, dass wir hier - ca. 50 sm vor der Küste - warten wollen, um nicht vor Sonnenaufgang in Cartagena an zu kommen. Die Einfahrt ist schwer zu finden und die Tonnen sind nicht beleuchtet. Normalerweise hätte ich dichter unter der Küste beigedreht, aber die Gefahr, Piraten in die Hände zu fallen, ist dort recht groß. Und bei 7 Bft. liefen wir nur mit der Fock satte 5 kn. Doch zurück nach Curacao.
Unser KW-Radio war auf einigen Marinefrequenzen gesperrt und die wollten wir von Holland Radio, einem großen Fachbetrieb für Schiffselektronik, öffnen lassen. Seit wir einen Pactor haben brauchen wir die. Was ein Pactor ist? Ein Modem, kaum größer als eine Zigarrenschachtel; teuer, aber sehr hilfreich. Damit können wir auch auf See E-Mails versenden und empfangen. Der Nutzen geht aber weit über den Austausch von Nettigkeiten hinaus. So setze ich mich z.B. morgens an den PC, gebe meine Position in ein Datenblatt ein, sowie die voraussichtlichen Positionen der nächsten fünf Tage. Das ganze wird vom Pactor als E-Mail aufbereitet und versendet. Spätestens zwei Stunden später läuft die Antwort ein: eine Wetteranalyse der Karibik mit 24, 48, 72- und 96stündiger Vorhersage. Außerdem die Windstärken und Wellenhöhen für die von mir genannten Positionen für die nächsten 5 Tage im 6-Std.-Takt. Dieser Service kostet dann ganze $ 0.10 pro Mail. Toll, was?
So gingen wir also zu Holland Radio. Der gute George - der Radiotechniker - war sehr hilfsbereit. Die Frequenzbänder lassen sich mit Hilfe einer Software öffnen. Diese hatten wir mitgebracht. Katrin hätte es selbst gemacht, aber uns fehlte das dazu erforderliche Spezialkabel. George versprach das für uns bis zum nächsten Tag zu erledigen und schon nach vier Tage war es bereits so weit: wir konnten unser Radio abholen. George hatte die Software nicht gebraucht. Auch er hatte kein Kabel dafür. Aber hatte etwas rumprobiert, sich in Holland telefonisch Rat geholt und dann eine Diode gekappt. Arbeitsaufwand drei Stunden (obwohl das Kappen der Diode keine fünf Minuten gedauert hat). Er berechnete uns aber nur zwei Stunden. $ 140,-- wechselten den Besitzer und unser Radio war auf allen Frequenzen geöffnet. Nur leider akzeptierte der Pactor das Radio nicht mehr. Die kommende Woche verbrachten wir mit mailen, telefonieren, faxen, nach Düsseldorf, Hanau, nach Holland und in die USA. Und täglich verbrachten wir einige Stunden bei George Fazit: die Fehlersuche blieb erfolglos. Der Pactor weigerte sich standhaft mit unserem Radio zu kommunizieren. Hatte er vorher problemlos auf einigen Frequenzen funktioniert, ging jetzt gar nicht mehr. George war genau so ratlos wie wir. Die Lösung des Problems war dann einfach: George behielt unser Radio, wir bekamen seins. Nun konnten wir endlich Curacao verlassen. Ein bitterer Nachgeschmack bleibt. Viel Geld und Zeit vertan, ein älteres gegen unser neues Radio getauscht und weniger Frequenzen zur Verfügung als vorher. Sei´s drum, jedenfalls funktioniert´s.
Wieder musste ich meinen Bericht unterbrechen, es galt die Segel erneut zu setzen - das Groß diesmal im 2.Reff - denn wir mussten weiter. Inzwischen sind 3 Tage vergangen. Wir liegen vor dem Yachtclub von Cartagena vor Anker und alle Aufregungen der letzten Tage verblassen. Ja, Aufregung gab es auf der Strecke Curacao - Cartagena genug.

Auslaufen im Morgengrauen

Nachdem wir also unser Radio wieder an Bord hatten machten wir die "Grete" seeklar und um 05:30 Uhr am nächsten Morgen warfen wir die Leinen los. Der Wetterbericht für die nächsten Tage versprach guten Wind. Nachdem wir die Sint Ana Baai verlassen hatten setzten wir die Breitfock und los ging´s. Der GPS (ein Navigationscomputer) zeigte 5,5 kn. Da das Unterwasserschiff der "Grete" mit Seepocken nur so übersäht ist, hatte ich mit keiner so guten Fahrt gerechnet. Wir liefen direkt vor dem Wind nach Westen. 480 sm lagen vor uns. Wir setzten auch noch den Spitzer und das Log zeigte 6 kn. Wir waren es zufrieden.
Doch dieser Zufriedenheit waren Grenzen gesetzt, wie sich schon bald zeigen sollte.
Ich befand mich gerade unter Deck um das Frühstück zu bereiten, als mich ein dumpfer Schlag aufschrecken ließ. Gleichzeitig hörte ich Katrin rufen: "Die Rah ist gebrochen". Ich sauste an Deck. Die Rah hing zwischen Himmel und Erde, schwang weit von einer Seite zu anderen, krachte immer wieder gegen den Mast und die losgekommenen Segel schlugen wild in der Gegend rum und knallten im Wind wie Gewehrschüsse. Das Rahrack war gebrochen - ein 24 mm Stahlbolzen war glatt abgeschert. So schnell es ging bargen wir die Segel, dann brachten wir die Rah unter Kontrolle und fierten sie langsam an Deck. Dazu haben wir die Topnanten (die Taue an denen die Rah hing) soweit verlängert, dass wir sie von achtern bedienen konnten, wo auch die Brassen (die seitliche Führung der Rah) angelenkt sind. Nun haben Katrin auf der einen- und ich auf der anderen Seite langsam die Topnanten gefiert und gleichzeitig die Brassen durchgeholt, bis die Rah sicher an Deck lag.
Dann setzten wir Großsegel, Klüver und Fock, atmeten einmal tief durch und besahen uns den Schaden. An eine Reparatur der Rah auf See war nicht zu denken. Aber es war ja alles halb so schlimm, denn wir machten auch mit der neuen Besegelung gute Fahrt. Nachdem der Wind noch etwas aufgefrischt hatte liefen wir jetzt sogar 7 kn.. Das Problem lag nur in der Windrichtung. Genau von achtern. Das barg die Gefahr einer Patenthalse, was sicherlich zu Kleinholz geführt hätte. Also setzten wir noch einen zweiten Bullen (Sicherung des Großbaums) und begannen vor dem Wind zu kreuzen. An Halsen war bei diesem Wind natürlich nicht zu denken also fuhren wir zweimal - um an der Insel Aruba vorbei zu kommen - eine Q-Wende mit Motorunterstützung. Da schlug das Schicksal erneut zu. Nachdem wir mehr als 24 Stunden auf einem Bug gesegelt waren, war es Zeit für die nächste Q-Wende. Ich wollte den Motor starten, doch nichts passierte. Der Anlasser drehte den Motor durch, doch dieser sprang nicht an.. Eine Q-Wende ohne Motor schloss ich aus, denn bei der hohen, steilen See würde die "Grete" niemals durch den Wind gehen. Also: Großsegel bergen, Halse nur mit Vorsegeln und Großsegel wieder setzen. Kein ganz einfaches Unterfangen bei diesem Wetter. 7 Windstärken und 4m hohe Seen, die im sechs-Sekunden-Takt auf die "Grete" einstürmten. Während Katrin die Wache übernahm, begann ich mit der Fehlersuche. Brennstoffvor- und Hauptfilter sowie Luftfilter gereinigt, bzw. erneuert, Brennstofftanks gepeilt, mehr konnte ich nicht machen. Das Ergebnis war niederschmetternd. Der Motor wollte nicht starten. Zusätzlich war die vordere Lenzpumpe ausgefallen. Die hintere saugte nicht mehr an, da die "Grete" die Nase immer zu weit ins Wasser steckte und obwohl wir alle halbe Stunde mit der Handlenzpumpe versuchten das Wasser aus dem Schiff zu bekommen, schwamm schon bald der Fußboden im Logis und alle Schränke hatten nasse Füße. Das Bilgenwasser, das bei jedem Überholen des Schiffes an den Spannten nach oben schoss, durchweichte schon bald auch unsere Matratzen von unten her.
Aber das war nicht das Hauptproblem. Das war nach wie vor der Motor. Jetzt machte sich die Anschaffung des Pactors bezahlt. Wir schrieben e-mails an den Motorenhersteller Deutz und baten um Hilfestellung bei der Fehlersuche. Der Zuständige Servicemann antwortete prompt und gab uns auch gleich noch seine private Adresse, da das Wochenende vor der Tür stand.
Gleichzeitig schrieben wir an Ruth und Bill von der neuseeländischen Yacht "Seabride", die wir in Cartagena wussten. Seit über einem halben Jahr hatten wir uns immer wieder getroffen und hielten ständig Funkkontakt. Bill versprach dafür zu sorgen, dass wir bei Ankunft in Cartagena eingeschleppt werden würden. Und so geschah es denn auch. Nachdem wir - wie weiter oben beschrieben - das Beidrehen beendet hatten liefen wir mit dem Groß im 2. Reff
mit 5 kn Richtung Cartagena. Wir hatten unsere Ankunftszeit mit 8 Uhr Morgens errechnet bei 4,5 kn angenommener Geschwindigkeit. Doch es kam wie es kommen musste: in den frühen Morgenstunden ließ der Wind merklich nach und 5 sm vor dem Hafen legte er sich endgültig schlafen. Die Hochhäuser der Küste im Auge trieben wir bis zum frühen Nachmittag dahin, dann rief ich Bill und bat ihn den Schlepper zu schicken, der uns eigentlich erst an der Einfahrt erwarten sollte. Eine halbe Stunde später war er da und nach weiteren drei Stunden fiel unser Anker vor dem Club Nautico Bill kam gleich mit dem Dinghy zur Begrüßung und zusammen tranken wir erst mal eine Flasche Bier. Wir waren ehrlich froh an einem sicheren Ort zu sein und erst mal ausschlafen zu können.


Reinhart
(Ende Januar 2004)

Curacao

Doc-Version

Diesen Tagebucheintrag schreibe ich in Cartagena / Kolumbien.
Seit ein paar Stunden sind wir endlich aus dem Wasser, wir sind in der Werft.
Aber davon werde ich heute nicht berichten, das wäre weit vorgegriffen, denn es gibt so viel zu erzählen von all dem was in der Zwischenzeit geschehen ist.
Natürlich ist wie immer wieder schon viel zu viel Zeit vergangen seit unserem letzten Tagebucheintrag. (dies könnte eigentlich unser Standarderöffnungssatz werden...)
Also Ihr müsst Euch in Geduld üben, ertmal ist Curacao dran:
Obwohl wir auch für einige Zeit in "Spanisch Water" gelegen haben, einer Lagune in der fast alle Langzeitsegler ankern, recht malerisch, aber leider auch mit ziemlich schmutzigem Wasser, erinnere ich, wenn ich an Curacao- denke, hauptsächlich die Werftzeit und meine Bewerbung um eine Stelle im Seeaquarium...

Schwimmende Brücken in Willemstadt

Die Werftzeit ist genau wie meine Bewerbung ganz anders als erwartet verlaufen. Wir (das heißt eigentlich die Grete) wollten ja schon in Curacao aus dem Wasser, hatten das Monate lang geplant, aber es ist nie dazu gekommen. Auch darüber wird Reinhart später berichten. Wir haben jedenfalls 4 Wochen lang in der Werft Curacao Marine gelegen. Abgesehen davon, dass nichts von den Arbeiten wie geplant gelaufen ist, war es eine richtig nette Zeit. Wir lagen längsseite von "Moose" einem Segelschiff aus Curacao. An Bord leben Duncan und Irene. Er kommt ursprünglich aus Kanada, sie aus Holland, beide wohnen schon seit vielen Jahre in Curacao-. Wir hatten Glück mit unseren Nachbarn, denn es war eine richtig nette Gemeinschaft. Abends hat man sich mehr oder weniger zufällig an Deck getroffen, mit einem Glas Wein in der Hand, dann saßen wir auf dem Schandeckel (das ist die obere Abschlusskante des Setzbordes. - Jetzt ist bestimmt alles ausreichend klar oder?- Man könnte auch sagen das "Abschlussbrett der Bordwand")und sie in ihrem Cockpit, es wurde geklönt. Wo es ging haben wir uns gegenseitig geholfen, sind zusammen einkaufen gefahren, wir haben uns das Auto geliehen und Tipps bekommen, wo es z.B. Niro zu Schrottpreisen gibt, das hätten wir sonst nie gefunden, gemeinsam haben wir die Wäsche an der Pier gewaschen und dabei getratscht (ja, alles mit der Hand, nicht nur Hemden, T-Shirts etc. sondern auch Handtücher und Bettwäsche. Die Amerikaner mögen sehr fortschrittlich in der Raumfahrttechnik sein, aber die amerikanischen Waschmaschinen schaffen es einfach nicht die Wäsche auch nur etwas sauberer zu waschen, eigentlich kommen die Flecken hinterher eher noch besser zur Geltung, dafür gerät alles aus der Form. Aber was soll man bei einem Waschprogramm von 20 Minuten Länge mit Normal Temperatur d.h. Kaltwäsche auch anderes erwarten?)
Und dann haben wir auch noch erfahren, wo es den besten Asiashop und den frischesten Thunfisch gibt. Dort haben wir gleich eingekauft für unser gemeinsames Samstag Abend Essen. Es gab meist Sushi. Wir saßen mit der Besatzung von 3 Booten - auch Stan und Rica von der Aprilfool waren mit dabei - bei uns an Deck und haben Noriblätter gerollt, verschiedene Sushirollen hergestellt, Sake getrunken und viel gelacht.

Sushi-Essen in der Werft

Bei einem dieser Sushi Essen hatten wir noch andere Gäste eingeladen. Jan und Clarine waren dabei. Ich hatte sie vor 17 Jahren in Malawi kennengelernt und in Erinnerung behalten, dass sie aus Curacao kommen. Im Telefonbuch habe ich sie auch entdecken können und es war schön sich wieder zu treffen und über alte Zeiten zu reden.
Von Jan habe ich erfahren, dass im Seeaquarium eine Zentrum für Delphintherapie aufgebaut werden soll und man dafür eine deutsche Kinderärztin sucht. (In der Delphintherapie soll es Kindern und Jugendlichen mit mentalen, physischen und psychischen Problemen durch das therapeutische Spiel mit Delphinen und Therapeuten ermöglicht werden Entwicklungsfortschritte zu machen und Lebensfreude zu gewinnen.)Eigentlich bin ich ja gar nicht auf der Suche nach einer Arbeitsstelle, aber das klang so interessant, dass ich gemeinsam mit Reinhart das Seeaquarium besucht habe und ich muss sagen, ich war beeindruckt. Nicht nur die Anlage war sehr schön, fast fertig, die Delphine sollten 3 Tage nach unserem ersten Besuch kommen, sondern auch das Projekt hat mich fasziniert! Es fiel mir sehr schwer den Entschluss zu fassen für 1 Jahr in Curacao- zu bleiben um dort zu arbeiten, aber nachdem der Entschluss einmal gefasst war und ich mehr oder weiniger schon die Zusage hatte , habe ich mich richtig auf diese spannende, herausfordernde und schöne Aufgabe gefreut. Ich sollte nur noch zu einem Gespräch mit der Gründerin von Dolphinaid nach Miami fliegen. Am Tag vor dem Abflug, wenige Stunden bevor der Vertragsentwurf vorgelegt werden sollte ist dann das ganze leider doch geplatzt. Das Geld für eine Kinderärztin war zum jetzigen Zeitpunkt nicht vorhanden. Ich war enttäuscht, denn inzwischen hatte ich mich auf die Chance in der Delphintherapie mit deutschen Kindern und ihren Familien arbeiten zu können schon sehr gefreut.
Diese Zeit der Bewerbung, die sich immerhin fast 3 Wochen hinzog hat rückblickend für mich unseren Aufenthalt auf Curacao besonders geprägt. Immer wieder habe ich mir die Insel und insbesondere Willemstadt angesehen und mich gefragt: "Möchte ich hier für 1 Jahr leben?" Und ich denke es wäre nicht schlecht gewesen. Willenstadt hat mir gut gefallen, die vielen vor einigen Jahren noch verfallenen Handelshäuser und Kontore sind inzwischen fast alle restauriert, in guten Zustand und bunt gestrichen.

Floating Market

Seit den Kanaren konnte ich mich zum ersten mal wieder in ein Cafe setzen und die Menschen um mich herum beobachten. Eine sehr besondere Atmosphäre herrschte hier, eine Mischung aus Holland und Karibik. Ganz besonders interessant war der Floating Market in Punda. Dort liegen die Venezolaner mit ihren Holzschiffen und verkaufen Fisch, Obst und Gemüse. Leider haben wir "unsere" Fischer aus Blanquilla mit der San Martin nicht getroffen, sie werden erst jetzt im Januar wieder erwartet.
Nachdem nun klar war, dass ich nicht bei den Delphinen arbeiten werde, mussten wir weiter segeln. Helga hat uns in Cartagena erwartet, um gemeinsam mit uns -wie auch schon im Vorjahr- Weihnachten und Sylvester zu feiern. 480 Seemeilen trennen Curacao von Cartagena und dieser Abschnitt hat den Ruf bei einer Weltumsegelung auf der Barfußroute einer der unangenehmsten überhaupt zu sein.
Im Morgengrauen des 17.12. haben wir Curacao verlassen. Die schwimmende Schwingbrücke (eine Brücke, die von Motoren getrieben zur Seite fährt um so geöffnet zu werden, wenn ein Schiff in das Schottegat, den Hafen von Willemstadt, ein oder ausfährt) ging auf und wir haben nach 5 Monaten die ABC Inseln wieder verlassen.

Ein grosser Fang

Über diese Passage wird Reinhart später mehr berichten, aber schon mal so viel vorweg: wir hatten eher Glück mit dem Wetter. Trotzdem war mir bei dem hohen Seegang etwas mulmig zumute, ich muss mich eben immer erst wieder an das Segeln und die Bewegungen der Grete gewöhnen. Dann gab es aber ein recht erfreuliches Ereignis, dass mich ausreichend abgelenkt hat. Ich habe einen Fisch gefangen. Erst dachte ich, warum hast du nur die Angelleine ausgeworfen, denn bei dem Gedanken an Fisch wurde mir eher übel, aber dann hat mich die Aufregung gepackt als ich bemerkte, das ich etwas sehr großes am Haken hatte. Es war nicht leicht den Fang ins Schiff zu bekommen, aber ich war erfolgreich und als Reinhart an Deck kam, um die Wache zu übernehmen konnte ich stolz bemerken: "Sei vorsichtig, dass du nicht stolperst, da liegt was". Es war eine 1,10m lange Dorade (Mahi-Mahi)ein leckerer Fisch mit festem weißen Fleisch. Das Ausnehmen und Filettieren bei 3-4 m hohen Wellen war noch mal eine Belastungsprobe, der Fisch glitscht erst in die eine dann in die andere Richtung. Aber schließlich war es geschafft, ich hatte 2 wunderbare große Filets und eigentlich war mir plötzlich auch gar nicht mehr schlecht sondern ich hatte eher Hunger.
Aber dann stellt sich doch die Frage, was machen wir mit solchen Mengen Fisch ohne Gefriertruhe? Es sollte ja auch nichts schlecht werden.
Dies ist die Lösung unseres "Problems":
Am ersten Tag gab es Sushi.
Frischer konnte der Fisch ja nun wirklich nicht sein. Sojasoße, Wasabi und eingelegten Ingwer hatten wir an Bord, die neuen (unzerbrechlichen) Schälchen und die Stäbchen aus Curacao kamen gleich zum Einsatz. Welch ein Genuß!
Das Essen für den nächsten Tag habe ich auch gleich vorbereitet:
Ceviche de pescado
Dazu habe ich den frischen Fisch in kleine Streifen geschnitten und mit viel Limonensaft, etwas Orangensaft, etwas Salz, einem Teelöffel Chilisauce, in feine Ringe geschnittener roter Zwiebel ,kleingewürfelten Tomaten und frischem Koriander gemischt. Das Ganze muss etwas durchziehen und am nächsten Tag gab es das Ceviche nach ekuadorianischer Art mit gesalzenem Popcorn. Erstaunlich finde ich immer wieder, was unsere Vorräte so hergeben.
Jetzt hatten wir aber immer noch fast 2 Filets.
Erst mal habe ich unser Weihnachtsessen vorbereitet, manche Gerichte brauchen eine etwas längere Vorbereitungszeit und dazu gehört auch:
"graved Dorade" (als Alternative zum graved Lachs).
Ein Filet habe ich halbiert, die Haut nicht entfernt. Das Fleisch des einen Stückes wird dick bestreut mit einer Mischung aus Zucker und Salz zu gleichen Teilen, Dill und viel frisch gemahlenem Pfeffer, dann die andere Hälfte darauf gelegt. Diesen "Sandwich" packt man in einen Plastikbeutel, legt ihn von Steinen beschwert in den Kühlschrank und wendet ihn täglich. Nach 48 Stunden ist der Fisch fertig, hält sich aber problemlos auch viel länger. Das Fleisch wird sehr fest, so dass es sich leicht in sehr dünne Scheiben schneiden lässt. Köstlich!!!
Ein restliche Filet hat sich problemlos für 2 Tage im Kühlschrank gehalten. es gab Mahi-Mahi als indonesisches Curry,
dann sozusagen als Willkommensessen für Helga in Cartagena Dorade als thailändisches Curry mit Kokosmilch und grüner Currypaste.
Ich fand es schon faszinierend wie wir diesen großen Fisch zu 5 verschiedenen Gerichten verarbeitet haben (eines besser als das andere), auch ohne Gefriertruhe alles verarbeiten und lagern konnten und sogar Weihnachten noch davon gegessen haben.
Nicht weniger beindruckend finde ich allerdings mal wieder die Tatsache wie diese Beschäftigung mit dem Angeln, Ausnehmen, und Zubereiten die noch vorhandenen Reste meiner leichten "Unpässlichkeit" besiegt hat.
Obwohl ich eigentlich so schnell hier aus Cartagena noch nicht abreisen möchte, freue ich mich doch schon auf die nächsten Angelmöglichkeiten, wenn wir weiter zu den San Blas Inseln segeln, es gibt noch so viele köstliche Fischgerichte.
Katrin

Lacai

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Kralendijk

Natürlich gebe es viel über Bonaire zu berichten. Allein das Tauchen könnte Bände füllen. Dieses unglaublich klare Wasser. In Mondnächten und Windstille, wenn die Wasseroberfläche glatt war, konnte man von Bord aus in 10m Wassertiefe jeden Stein und jede Koralle erkennen. Wir haben in einer Vollmondnacht einen Tauchgang ohne Lampen gemacht. Gespenstisch! Alles ist klar zu erkennen, aber ohne Farbe. Ein wenig wie in einem Gruselfilm. Man könnte über den Nationalpark berichten, der etwa ein viertel der Insel einnimmt oder über die Leute, die Rassenvielfalt und das friedliche Neben- und Miteinander.
Ich möchte heute etwas über Lacai erzählen. Lacai ist eine Ansammlung von Hütten an der Lacbaai, gegenüber der Inselhauptstadt Kralendijk einsam an der Ostküste gelegen. Fischerhütten, ohne feste Bewohner und zwei Sonntagsrestaurants. Das Wort Restaurant ist vielleicht etwas zu hoch gegriffen, aber immerhin werden hier am Sonntag Malzeiten, einfache (aber sehr schmackhafte) kreolische Fisch- oder Ziegenfleischgerichte zubereitet. Und natürlich gibt es was zu trinken: Bier, Wein und - wie könnte es anders sein - Rummixgetränke. Aber das ist es nicht, was die Leute scharenweise am Sonntag nach Lacai zieht. Es ist die Musik. Mariachimusik. Man könnte meinen, die gehöre nach Mexiko - aber dem ist nicht so. Mariachi ist zwar ursprünglich mexikanisch, aber heute in der ganzen Karibik zu Hause. Als der Habsburger Maximilian noch das Sagen in Mexiko hatte, war ihm die Musik der Indios zu eintönig. Also ließ er eine Wiener Tanzkapelle kommen. Und aus dem Wiener Dreivierteltakt und der einheimischen Musik entwickelte sich nach und nach der Mariachi.

Mariachi in Lakai

Auf Bonaire gibt es eine ganze Reihe guter Mariachibands. Eine lernten wir in Lacai besonders lieben. Zwei einheimische Gitarristen,( einer davon spielte ein Gitarron) ein holländischer Trompeter (der einzige weiße Mariachitrompeter in der Karibik) und ein Sänger. Das war's. Keine Verstärker, keine Boxen, keine Technik. Nur Instrumentalmusik und Gesang. Und ein Publikum, dass es kaum auf den Klappstühlen hielt, dass immer mal eine Solo-Tanzeinlage lieferte, die Kapelle durch Zurufe unterstützte und anfeuerte. Zweimal erlebten wir den Soloauftritt eines 89jährigen Klarinettisten. Er entlockte seinem Instrument unglaublich sanfte, melodische Töne. Als wir bei unserem letzten Besuch dort nach ihm fragten, erfuhren wir, dass er mit seiner Band gerade auf Tournee in Aruba weilte. Die Parallele zu jenem unvergessenen kubanischen Film - "Buenavista Socialclub" - war greifbar nahe. Und das ganze Ambiente: das Restaurant besteht nur aus Küche und Bar und einer großen überdachten Freifläche. Die Leute sitzen auf einfachen Bänken, Klappstühlen oder leeren Bierkisten. Draußen sengende Sonne aus einem wolkenlosen, tiefblauen Himmel. Die Hitze lässt die Luft über der dürren Landschaft flimmern. Aber das Meer - nur wenige Meter entfernt - bringt eine angenehme Briese mit sich und wem es zu warm wird, der schmeißt schnell mal das Hemd beiseite und sucht Abkühlung im 26° warmen Wasser.
Aber zurück zur Musik. Natürlich spielten sie alle bekannten Stücke von Paloma blanca bis Cielito lindo. Daneben aber auch immer wieder eigene Kompositionen die auf Papiementu gesungen wurden - der einheimischen Sprache. Einem Gemisch aus Spanisch, Portugiesisch, Holländisch und manch anderem. Aber es gab auch Ausreißer aus diesem Genre. So spielten sie auch schon mal Harry Bellafontes "This is my Island in the sun", das ebenfalls zu Bonaire gehört, denn Klein Bonaire - eine der Hauptinsel vorgelagerte kleine Insel in der Kralendijkbaai - gehörte Harry Bellafonte, bis er sie 1999 an Bonaire verkaufte, wo sie heute Bestandteil des Naturparks ist.
Zwei Dinge werde ich besonders vermissen, wenn wir Bonaire den Rücken kehren: das Tauchen und die Sonntagnachmittage in Lacai.
Reinhart

36. Internationale Bonaire-Regatta

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Klar zur Wende

Wir lasen davon in der Zeitung, dass ein solches Event bevorstand. Spontan beschlossen wir daran teil zu nehmen. Also machten wir uns auf zum Hafenbüro um Näheres in Erfahrung zu bringen. Der Hafenmeister wusste etwa soviel wie wir, nämlich, dass es so etwas im Oktober geben würde. Doch dann suchte er eine Telefonnummer raus, wollte sie uns geben, besann sich eines Besseren und wählte selbst. Ein Strahlen ging über sein Gesicht als er in die Hörermuschel lauschte und er bedeutete uns einen Augenblick zu warten; Byron Trump wolle uns persönlich sprechen. Während der wenigen Minuten die wir warten mussten, erfuhren wir, dass Byron der Regattaleiter, und dass sein Vater der Erfinder und Ausrichter der ersten 30 Regatten gewesen sei. Für Byron war es nun seine sechste. Als er eintrat, sahen wir uns einem Mann in den 50ern gegenüber; gedrungen, grauhaarig, von lebhaftem Temperament bat er uns lächelnd wieder Platz zu nehmen. Zuerst drückte er seine Freude darüber aus, dass wir teil nehmen wollten, dann fragte er nach unserem Boot. Als wir ihm die "Grete" zeigten - man konnte sie vom Hafenbüro aus sehen -, war er sehr interessiert mehr über sie zu erfahren.
Also erzählten wir ein wenig und dann versorgte er uns mit den notwendigen Details. Es wurde in mehreren Klassen gestartet: Rennyachten; Fahrtenyachten; kleine, schnittige Fischerboote; Sunfish (den Optimisten ähnlich); Windsurfer; und eine Sonderklasse der Langzeitsegler, in der alles Platz hatte, von der normalen Fahrtenyacht über Katamarane, Trimarane und natürlich Kutter.

Lüttfischer bei der Regatta

Die Begründung war einleuchtend: Langzeitsegler sind wegen ihrer umfangreichen Ausrüstung viel schwerer als z.B. eine normale Fahrtenyacht. Zwei Tage vor Regattabeginn meldeten wir uns im inzwischen eingerichteten Regattabüro an. Nun galt es, lange Fragebögen auszufüllen, damit man unseren TCF (Time Correction Factor) errechnen konnte. Das ist so was wie das Handicap beim Golf. D.h. nicht derjenige, der als erster ins Ziel kommt ist auch Erster, denn erst muss noch der Zeit Zu- oder Abschlag angebracht werden. Die "Grete" bekam auf diese Weise einen ordentlichen Bonus mit auf den Weg.
Für unsere Klasse waren 4 Rennen geplant. Am ersten Tag ein 35 sm Kurs von der Westseite der Insel um die Südspitze herum zur Mitte der Ostseite und auf dem gleichen Weg wieder zurück. (Wer eine Karte hat: von Kralendijk zur Lacbaai und zurück). In unserer Klasse starteten 11 Boote: aus Bonaire, Curacao, Aruba, Venezuela, USA, Holland, Frankreich, England und good old Germany.(Deutschland war gleich zweimal vertreten, außer uns noch der Katamaran "Independencia"). Natürlich hatten wir uns für die Regatta ordentlich herausgeputzt. Zwar untersagt die Kreuzerabteilung des Deutschen Seglerverbandes das Führen von mehr als einem Vereinsstander, aber da ist die "Grete" ja nicht gemeldet. Und weil es so schön ist, setzten wir alles was wir hatten. So wehten also an unserem Mast von oben nach unten (in Reihenfolge der Größe): der ISTA Stander von der Baltic 2000, die Flagge der STAG, die Stander von T.O. (Trans Ocean), SSCA (Seven Seas Cruising Assosiation), Topsegel und den Freunden des Gaffelriggs. Ich wette: keiner dieser Wimpel (außer SSCA) wurde hier je gesehen. Als wir zum Start segelten schwante mir nichts Gutes; der Wind war für uns zu schwach. Gerade mal Windstärke 3. Auf die Minute genau um 9:00 Uhr fiel der Starschuss. Eine schnittige Herreshofyacht von 1972 ging als erste über die Startlinie und wurde vorerst nicht mehr gesehen. Auch wir hatten einen guten Start, bildeten aber schon nach wenigen Minuten das Schlusslicht. Als wir am frühen Nachmittag die Südspitze der Insel rundeten kam uns die Herreshof bereits wieder entgegen. Weit abgeschlagen folgten wir dem Feld. Als wir gerade noch mit dem letzten Tageslicht das Ziel erreichten, hatten wir einen Achtungserfolg errungen. Wir wurden herzlich begrüßt: alle winkten uns zu und einige Yachten tuteten mit ihren Typhonen. Unser TCF hat uns wenig geholfen, wir landeten unter "ferner liefen". Der zweite Tag war nicht besser. Wieder ging die Herreshofyacht in Führung und rundete nach nur einer Wende innerhalb von 5 Minuten die erste Tonne (es war ein 18sm Kurs abzusegeln, der Kreuz und quer durch die Kralendijkbai führte), wir brauchten bis zur ersten Tonne 6 Kreuzschläge und 75 Minuten bei nur zwei Windstärken. Dann gaben wir auf. Zu den beiden letzten Rennen sind wir nicht mehr angetreten, da der Wind eher noch schwächer war als an den ersten beiden Tagen.
Am Abend, beim Sundowner im Hof des Regattabüros, wurden auf einer Großleinwand Bilder von den Rennen gezeigt. Man war sich einig: die "Grete" war zwar nicht die schnellste, dafür aber die meist fotografierte. Und damit waren wir denn auch zufrieden!
Reinhart

Besuch in Ecuador

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Wellness auf der Grete

Seit wir Anfang Juli auf Bonaire eingetroffen waren, war es mit dem beschaulichen Leben - wie auf den überwiegend unbewohnten venezolanischen Inseln - vorbei. Mitsegler, Freunde und Verwandte gaben sich quasi die Klinke in die Hand. Wir waren selten allein. Dazu kamen die Tauchlehrgänge (erst der für Anfänger, dann die eigene Weiterbildung durch selbständige Tauchgänge, dann der Kurs für Fortgeschrittene mit Tieftauchen, Nacht-, Wrack- und Navigationstauchen, sowie geführten Tauchgängen um die Unterwasserwelt besser verstehen zu können). Und irgendwann kam die Frage auf: was mache ich mit meinem 66sten Geburtstag. Nun habe ich eine Tochter, die mit ihrem ekuadorianischen Ehemann seit fast zwei Jahren in Ekuador lebt, mir dort im Februar mein zweites Enkelkind geschenkt und im Juli ein Hotel eröffnet hat und sehnsüchtig auf den Besuch ihres Vaters wartete. Und weil es sich so ergab, dass die KLM von Bonaire direkt nach Ekuador fliegt, beschlossen Katrin und ich eine Woche Urlaub von der Weltumsegelung zu nehmen und nach Atacames zu fliegen.
Urlaub vom Urlaub, so würden sicher manche sagen. Nun hat aber der - laut Eigenwerbung - erfahrenste Weltumsegler Deutschlands kürzlich mal geschrieben: "Eine Weltumsegelung ist kein Zuckerschlecken". Also steht einem doch auch Urlaub zu, oder? , Wie dem auch sei, wir haben diese eine Woche abseits der "Grete" durchaus genossen. Wir flogen also von Bonaire über Guayaquil nach Quito, der malerisch im Hochtal zwischen der Ost- und Westkordillere auf fast 3000m gelegenen - und von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärten - Hauptstadt Ekuadors. Hier bestiegen wir den Bus, um an die rund sieben Fahrstunden entfernte Küste zu gelangen. Die Fahrt verlief nur kurz durch die Hochebene, dann überquerten wir einen Pass und begannen die Serpentinenfahrt zur Küste. Ich habe diese Fahrt in früheren Jahren schon häufig gemacht und doch bin ich jedes Mal wieder überrascht, wie abrupt sich der Wandel der Natur beim Passieren des Passes von einer Hochebene - wie wir sie z.B. aus der Schweiz kennen - zum tropischen Regenwald vollzieht.

Robert kam zum Helfen

Nach etwa einstündiger Fahrt wurde ich Zeuge einer kleinen Auseinandersetzung zwischen dem Beifahrer und einem jungen Paar. Als ich einige Brocken Spanisch von Seiten des jungen Paares mit deutlichem thüringischem Akzent ausmachte, bot ich meine Hilfe als Dolmetscher an. Es waren wohl zwei Sitzplätze zweimal vergeben worden. Jedenfalls wurden die beiden Deutschen auf die Plätze hinter uns verwiesen und ein einheimisches Pärchen musste stehen. Nachdem der Beifahrer seine Fahrscheine noch einmal zwanzig Minuten hin und her gedreht hatte, vollzog sich der Wandel nun in die entgegengesetzte Richtung. Nun mussten die Deutschen wieder stehen, denn es hatte sich herausgestellt, dass sie einen Bus später gebucht hatten. Nun wollte sie der Busfahrer auf offener Strecke ausladen, aber das ließen die übrigen Passagiere nicht zu. Lautstark forderten sie den Busfahrer auf sie trotzdem weiter mitzunehmen. Also nahmen die beiden auf den Eingangsstufen Platz und es kehrte wieder Ruhe ein. Nach einer weiteren halben Stunde Fahrt, an einer Weggabelung, an der sich außer einer Tankstelle kein weiteres Gebäude befand - in the middle of nowhere so zu sagen - sah ich zufällig, dass die beiden Deutschen neben dem Bus standen und der Beifahrer ihre Rucksäcke auslud. Ich lief schnell nach draußen und versuchte zu intervenieren - als sich fast alle Fenster des Busses öffneten und die Passagiere einhellig den Verbleib der Beiden an Bord forderten. Schon bald skandierten sie: "No las dejes, no las dejes - lass sie nicht stehen, lass sie nicht stehen". Dem Busfahrer blieb keine Wahl, sie durften bleiben. Ich sehe noch heute die empörten Gesichter der Passagiere vor mir, als sie merkten, dass der Busfahrer zwei der Landessprache kaum mächtige auf die Straße setzen wollte und habe mich gefragt, wie wohl ich reagiert hätte, wäre diese Situation in Deutschland passiert, hätte also der Busfahrer zwei Afrikaner oder Türken irgendwo versucht auf die Straße zu setzen. Hätte ich mich zurück gelehnt und gedacht:" Na ja, sollen halt aufpassen, dass sie im richtigen Bus sitzen"?
Kurz vor Sonnenuntergang kamen wir in Atacames an. Ich traute meinen Augen nicht. Aus dem 500-Seelen-Dorf, welches ich vor genau zwei Jahrzehnten zuletzt gesehen hatte, war ein quirrlieges Städtchen geworden.

An der Strandbar

Und der Strand - einst einsam und verlassen - an dem ich vor über 30 Jahren das erste Steinhaus baute und neben dem Holzhaus meines Schwagers das zweite Haus überhaupt, war so belebt wie Travemünde im August. Eine breite Uferpromenade, an der sich Hotel neben Hotel drängte, Restaurants, Andenkenläden und eben alle Scheußlichkeiten, die der Tourismus so mit sich bringt. Der einzige Lichtblick waren die der Uferpromenade vorgelagerten Strandbars mit ihren exotischen Drinks und der Salsamusik. Hier wurde bereits am frühen Nachmittag - und dann bis spät in die Nacht hinein - das Tanzbein geschwungen. Mein Schwiegersohn Wilson, dem eine dieser Bars gehört, kommt oft erst mit dem ersten Hahnenschrei nach Hause - zumindest während der Saison (deren letztes Wochenende wir gerade noch miterlebten), danach wird es merklich ruhiger.

Das neue Hotel ...

Das Hotel meiner Tochter Janina liegt etwa 300m außerhalb des Zentrums an einem ruhigen Strandabschnitt. Im Verlauf des letzten Jahres hatte sie mir oft geschrieben, welchen Ärger sie mit Behörden, Architekten und Bauarbeitern hatte und dass sie ihre Vorstellungen nur schwer durchsetzen konnte. Um so erstaunter war ich, als ich vor dem fertigen Produkt ihrer Wünsche stand. Das Hotel war viel schöner und größer geworden, als ich es mir vorgestellt hatte. 50 Betten in 11 Zimmern; vom Doppelbettzimmer bis zur 7-Bettensuite für die hier üblichen Großfamilien war jede Größe vertreten. Und alle mit großem Balkon zum Strand. Nur zwei liegen auf der Rückseite.

... direkt am Strand

Das gesamte Mobiliar ist aus heimischen Hölzern von ortsansässigen Handwerkern hergestellt; die Zimmer sind alle mit Bad, großen Deckenventilatoren, Moskitonetzen und Minibar ausgestattet. Warmwasser wird aus Sonnenenergie gewonnen, eine ökologische Kläranlage ist in Vorbereitung. Und dafür zahlt man je nach Saison nur US$ 10,- bis 15,- pro Person und Nacht.
So wird jetzt ein Traum wahr, den ich vor über dreißig Jahren träumte als ich dieses Grundstück am Pazifik kaufte und eigenhändig rodete, einen Brunnen grub und eine einfache Bambushütte baute. Zu meinem Geburtstag bekam ich um Mitternacht von Katrin und Janina einen Strauß herrlicher Oleanderzweige von einem Strauch, den ich vor dreißig Jahren selbst gepflanzt hatte. Ich kann nicht sagen, dass das seine Wirkung verfehlte.

Kerzenauspusten

Am Abend haben wir dann zusammen mit einigen Freunden und Verwandten - auch mein Sohn war aus Deutschland angereist - gegrillt. Fleisch und Fisch; Bier, Rotwein und Rumpunsch sorgten für gute Laune, die ihren Höhepunkt erreichte, als ich zusammen mit meiner dreijährigen Enkelin die Kerzen auf der Geburtstagstorte ausblasen wollte, diese aber immer wieder angingen, nachdem man sie gerade erst ausgepustet hatte. Amelie geriet richtig aus dem Häuschen und erzählte am nächsten Morgen, kaum das sie die Augen auf hatte: "Ich habe Kerzen ausgepustet".
Am nächsten Morgen fuhren Katrin und ich mit dem Bus wieder nach Quito. Es war so gegen 21:30 als wir unser Hotel bezogen hatten und uns auf den Weg machten, um an der Avenida Amazonas, einer der großen Einkaufstraßen Quitos, noch eine Kleinigkeit zu Essen. Es war enttäuschend: die Avenida lag fasst im Dunklen; keine Schaufensterbeleuchtung, die wenigen noch geöffneten Restaurants leer. Erst nach längerem Suchen fanden wir ein mexikanisches Restaurant, das gut besucht war. Ausschließlich Touristen - die meisten wohl von einer der vielen Sprachschulen die es hier gibt. Und dann die Überraschung am nächsten Morgen: wir wollten kaum glauben, dass es sich um die gleiche Avenida vom Vorabend handelte. Volle Geschäfte mit schönen Auslagen, gut besuchte Restaurants: Großstadtleben eben. Die Stille am Abend hängt mit der nächtlichen Großstadtkriminalität zusammen, die man in allen südamerikanischen Metropolen antrifft. Nach 20:00 Uhr geht man nicht mehr auf die Straße; es sei denn man fährt mit dem Taxi. Wer eine Erklärung für dieses südamerikanische Phänomen sucht, dem kann ich die Lektüre von Eduardo Galeanos Buch: "Die offenen Adern Lateinamerikas" empfehlen. (Keine Gute-Nacht-Lektüre)!
Der Besuch der Altstadt mit seinen vielen schönen Bauten war dann noch ein Erlebnis für sich. Eins ist sicher: wenn wir im nächsten Jahr mit der "Grete" in Ekuador sein werden, werden wir Quito einen längeren Besuch abstatten. Die Stadt ist es wert!
Reinhart

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